Dialogpredigt am Pfingstmontag "Von allen guten Geistern..."

  • 29.05.2023 , Pfingstmontag
  • Propst Gregor Giele und Pfarrer Bernhard Stief

Predigt zum Ökumenischen Gottesdienst am Pfingstmontag 2023

auf dem Thomaskirchhof Leipzig

„Von allen guten Geistern …“

 

Von allen guten Geistern … verlassen“ (Propst Gregor Giele)

Liebe Schwestern und Brüder,

Hand aufs Herz! Wer hat beim Lesen des Titels unseres Gottesdienstes „Von allen guten Geistern …“ nicht sofort ergänzt: „Von allen guten Geistern … verlassen“. Das liegt ja auch nahe. Immerhin ist das eine gebräuchliche und feste Redewendung, die durch unsere Alltagserfahrung auch immer wieder gefüttert und bestätigt wird. Wenn wir an Putin, Schoigu oder Prigoschin denken, können wir doch nur kopfschüttelnd feststellen: „Die sind wohl von allen guten Geistern verlassen“, wenn man sieht, was sie anstellen. Wenn auf der Autobahn ein Motorrad oder ein Auto mit völlig überhöhter Geschwindigkeit an mir vorbeizieh“, ist die Redewendung sofort in meinem Kopf präsent. Wenn einer der vielen neuen und heiß diskutierten Radwege in unserer Stadt wieder einmal im Nirgendwo endet und mich hilflos im rollenden Autoverkehr zurücklässt, bringe ich Verkehrsplanung und Geist auch nur mit dem Wort „verlassen“ in Verbindung. Und was auf der Leitungsebene in meiner Kirche gerade an Vertuschung zutage gebracht wird, bestätigt mir, dass da Menschen von wirklichen allen guten Geistern verlassen wurden, wenn sie Unrecht so zu decken versucht haben. Doch ich muss gar nicht so groß denken: wenn ich ohne Beratung selbst Kleidung für mich gekauft habe, darf ich mich auf die Bemerkungen meiner modebewussten großen Schwestern freuen: „Na, da warst du ja mal wieder von allen guten Geistern …“

„Von allen guten Geistern verlassen!“ Das ist eine stehende Redewendung, die hundertfach im Kleinen und Großen unseres Lebens bestätigt wird.

 

Von allen guten Geistern umgeben (Pfarrer Bernhard Stief)

Aber es gibt auch das Andere. Manchmal sind wir von guten Geistern umgeben. Meine Oma konnte das sagen, wenn wir Enkel um sie waren. „Ihr seid meine guten Geister“, war ihre Redewendung, mit der sie ihr Glück beschrieb. Sie freute sich an der Familie, an dem neuen Leben. Als gute Geister bezeichnen wir auch jene, die unbemerkt zum Gelingen eines Festes beitragen. Oftmals kann man gar nicht alle aufzählen, die im Hintergrund für die Verpflegung sorgen, das Programm vorbereiten oder den Raum schmücken. Es sind einfach viele gute Geister beteiligt. „Gute Geister“ heißt z.B. auch der erfolgreiche Debütroman von Kathrin Stocket, mit dem sie afroamerikanische Haushälterinnen beschreibt, die in weißen Familien arbeiteten. Es waren und es sind oftmals jene, die im Hintergrund wirken und das Leben anderer dadurch lebenswert machen. Ja, es gibt sie, die guten Geister, und sie haben nichts mit den Wesen im Nachthemd zu tun, die uns das Fürchten lehren wollen. Gute Geister machen das Leben leichter, ohne viel darüber zu reden. Gute Geister bekommen wir selten mit, weil sie kein großes Aufheben um sich machen. Gute Geister aber lassen sich an dem erkennen, was sie bewirken: an Freude, Glück, Frieden, Gerechtigkeit, Versöhnung, Dankbarkeit u.v.m. Wir sind nicht nur von guten Geistern verlassen, sondern sehr oft von ihnen umgeben. Merken Sie das? Zu Pfingsten feiern wir die Gegenwart eines solchen guten Geistes. Der auferstandene Christus hat gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage ...“. Wir sehen ihn nicht, und doch ist er da, wie ein guter Geist. Jesus hält sein Versprechen, das er seinen Freunden gegeben hat: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird“. Jesus verlässt uns nicht.

 

Gut und Heilig – was für ein Geist! (Propst Gregor Giele)

Und das ist eine doppelt gute Botschaft. Zum einen, dass ich die guten Geister in mir nicht nur allein produzieren und hervorbringen muss, sondern dass mir vieles davon geschenkt wird. Und dann noch, dass dieser geschenkte Geist so großzügig und vielfältig ist. Er verleiht Kraft für die Aufgaben, die vor mir liegen, und innere Stärke, um die manchmal langen Wege zum Ziel, aber auch Durststrecken, Rückschläge und ähnlich Herausforderndes durchzuhalten. Er schenkt Einsicht, was wirklich wichtig ist, er hilft zu gutem Rat und - noch wichtiger - zu guter Entscheidung, er schenkt Erkenntnis in einer nicht selten unübersichtlichen Welter umfängt mein Gebet mit Frömmigkeit und Gottesfurcht, die in einer Zeit, in der wenig heilig ist, darum weiß, dass es das Größere, den Menschen Übersteigende doch gibt. Oder um es in der gehörten biblischen Lesung zu sagen: dieser Geist, der von Gott kommt, schenkt Weisheit und / oder prophetische Kraft, als die Fähigkeit, die Tragweite von Dingen und Entwicklungen gut abzuschätzen. Dieser Geist schenkt mir die Möglichkeit, Erkenntnis zu vermitteln oder heilend in meiner Umgebung zu wirken. Und die Liste ließe sich nahezu beliebig fortsetzen.

Zu Pfingsten feiern wir darum den wichtigsten aller guten Geister. Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Und die Botschaft von Pfingsten ist nicht ein Appell, diesen Geist in sich zu entwickeln, sondern Pfingsten ist ein Geschenk. Dieser gute und vielfältige Geist ist bereits in uns gelegt.

 

Das Aber: Die alten Geister müssen Platz machen für den neuen, guten und heiligen Geist (Pfarrer Bernhard Stief)

Das sollten wir uns merken: Pfingsten ist Geschenk. Pfingsten können wir nicht machen. Pfingsten können wir nur geschehen lassen, indem wir dem Heiligen Geist, der uns mit der Taufe geschenkt ist, Raum geben. Die Erwartung der Jüngerinnen und Jünger Jesu auf das Wirken des Heiligen Geistes war dafür ein schönes Zeichen. Sie schienen innerlich frei zu sein für das, was da kommen sollte. Sie warteten, sie hofften, sie waren bereit. Sind wir es auch oder müssen wir erst einmal Platz schaffen, damit sich der Heilige Geist entfalten kann? Manchmal gleicht unser Leben wie eine zugestellte Wohnung, in der immer mehr angeschafft wurde und dabei Wichtiges und Brauchbares vergraben liegt oder verdrängt ist. Die Angst, zu kurz zu kommen, der Neid auf das Wohl der Anderen, die unbedachten Urteile über Menschen und deren Entscheidungen, die fehlende Anteilnahme an der Not der Nächsten – das Alles und noch viel mehr sind Ungeister unserer Tage, die Platz machen müssen für den guten heiligen und heilenden Geist. Es braucht also einen Hausputz, eine Grundreinigung in unserem Leben. Die Bibel sagt dazu Buße. Zur Taufe kommt die tägliche Umkehr, die uns frei macht für Gottes Geist. Dieser Heilige Geist macht dann auch uns zu den guten Geistern, die die Welt braucht. Sein Wirken, so haben wir gehört, zeigt sich bei jedem auf unterschiedliche Weise. Im Unterschied zu den Ungeistern aber, und daran lässt unser Predigttext keinen Zweifel, „geht es Gottes Geist immer um den Nutzen für alle“.

 

Von allen guten Geistern verlassen? (Propst Gregor Giele)

Sind wir nun von allen guten Geistern verlassen? Nein, bei Weitem nicht, denn Gottes diesbezügliche Großzügigkeit erschöpfte sich nicht an dem einen Pfingstfest, sondern setzt sich durch die Zeiten fort, findet also auch heute, unter uns, hier und jetzt statt. Und wenn sich seine Gabe, sein heiliger und heilender Geist in uns entfalten kann, dann kann sich Gott auf uns, auf seine „guten Geister“ verlassen. Amen.

 

Gesprächsimpuls: „Mach in mir deinem Geiste Raum ...“ – Welchen guten Geist verspüre ich in mir? Und wo ist mein Platz (Gabe / Aufgabe / Kraft) in der Gemeinde? „... dass ich dir werd ein guter Baum“