Gedanken zum Tag

  • 28.07.2020
  • Matthias Caffier

Gottes Hausgenossen

"Ein Land, dass die Fremden nicht schützt, geht bald unter."
Seit einiger Zeit hängt dieses Goethe-Zitat als Banner am Schauspielhaus Leipzig. Auf dem Weg in die Innenstadt gehe ich daran fast täglich vorbei und musste sofort daran denken, als ich den Spruch für diese Woche las; er steht im Brief des Paulus an die Epheser im 2. Kapitel, wurde vor knapp 2.000 Jahren geschrieben und lautet: "So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen." (Vers 19)

Halten wir diese beiden Zeitdokumente von Goethe und Paulus nebeneinander, fällt auf, dass "die Fremden" zu allen Zeiten ein wichtiges Thema waren; neudeutsch also ein "Top-Thema". In der Tat beschäftigt uns aktuell in Deutschland die sogenannte Flüchtlingsfrage fundamental und wird zunehmend kontrovers diskutiert.
Wo und wie hat sich in dieser Auseinandersetzung unsere Kirche positioniert; auch wir selbst? Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wird der Schutz des Fremden immer wieder angemahnt. Bekanntlich kamen die Israeliten als Fremdlinge in das verheißene Land und Jesus betont in seiner Rede vom Weltgericht, dass auch er ein Fremder gewesen ist "und ihr habt mich aufgenommen" (Mt 25,35).
Daran erinnert uns Paulus mit seinen Worten, die Fremdlinge aus aller Welt unein-geschränkt als unsere Mitbürger anzuerkennen. Gehen wir jetzt diesen Schritt auf sie zu und nehmen sie als "Hausgenossen" in unsere Gemeinde, die Familie Gottes, auf. Auch im Sinne Johann Wolfgang von Goethes, der davon überzeugt war, dass sich unterschiedliche Kulturen begegnen und verstehen können. In seiner Gedichtsammlung West-östlicher Divan heißt es dazu weiter:
"Wer sich selbst und andere kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen."