Gedanken zum Tag

  • 13.05.2020
  • Reverend Dr. Robert Moore

„Erkenne dich selbst“ soll der griechische Philosoph Sokrates gelehrt haben. Auch wenn er nicht der Erste war, der diesen Gedanken aussprach – er wurde zum Leitmotiv seiner Lehre. Von den Philosophen Xenophon und Platon wissen wir, dass Selbsterkenntnis zu erlangen kein einfaches Ziel ist.

 Wir Menschen tun uns schwer damit, uns selbst zu erkennen. Wir sind blind, wollen uns selbst nicht sehen. Wir sind ängstlich gegenüber der eigenen Fehlerhaftigkeit, der Erfahrung von Sinnlosigkeit und der Endlichkeit des eigenen Lebens. Wenn wir in einen Spiegel schauen, sehen wir nur das äußere Erscheinungsbild von uns selbst. Wir sehen aber nicht, wie es im Inneren aussieht, was das Leben aus uns gemacht hat, welche Spuren Glück oder Versagen, Gelingen und Scheitern in uns hinterlassen haben.

 Darum scheuen wir uns, uns selbst zu erkennen – und überdecken diese Verweigerung mit unserer Eitelkeit und Einbildung. Selbst wenn wir in einen Spiegel schauen, haben wir Schwierigkeiten, in uns zu sehen. Das Spiegelbild offenbart aber nur eines: unseren Narzissmus, unsere Selbstverliebheit. Doch diese hindert uns an der Selbsterkenntnis. Deshalb sind wir angewiesen auf einen Partner oder eine Partnerin, auf Freunde und Freundinnen, die uns kennen, die uns widerspiegeln, wie wir wirklich sind.

 Die Bibel zeugt davon, dass Gott für uns ein solcher Partner ist – einer, der uns erkennt, auch wenn wir uns vor der Selbsterkenntnis drücken. Das kommt im Losungswort für den heutigen Tag zum Ausdruck:

„Du allein kennst das Herz aller Menschenkinder“. (1. Könige 8,39)

Dem entspricht auch, was der Apostel Paulus im Hohenlied der Liebe schreibt:

„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin“. (1. Korinther 13,12)

Was für ein Geschenk: Weil Gott uns beachtet, können wir angstfrei uns selbst erkennen mit all unseren Stärken und Schwächen.