Gedanken zum Tag

  • 14.05.2020
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Leicht lässt sich unser Auge verführen. Was ich sehe, hängt auch durchaus davon ab, was ich sehen will. Das Sehtest-Bild von der alten oder jungen Frau dürfte wohl sehr bekannt sein.
Ich werde ihnen natürlich jetzt nicht verraten, was ich immer sehe. Darum geht es auch gar nicht in erster Linie. Vielmehr hat mich der heutige Bibelvers aus dem Hiobbuch angeregt, über Täuschungen nachzudenken.

„Meint ihr, dass ihr Gott täuschen werdet, wie man einen Menschen täuscht?“ Hiob 13,9

Da sitzt ein gebrochener Mensch namens Hiob in seinem Elend und denkt über Gott, die Welt und seine Freunde nach. Es ist ein langer, stellenweise auch leidvoller Prozess. Die Betrachtung des menschlichen Charakters hat zum Ergebnis, dass dieser nicht davor gefeit ist, sich täuschen zu lassen und ja, manchmal auch sich täuschen lassen zu wollen. Dem gegenüber steht Gott. Er lässt sich nicht hinter das Licht führen, weil er selber Licht ist. In biblischer Poesie finden wir für solche Beständigkeit die Worte für das Anschauen des Herzens als Maßstab und nicht das Schauen auf den äußeren Menschen.

Legen wir selber solch göttlichen Seh-Mechanismus an den Tag, bleiben Enttäuschungen nicht aus. Mit ihnen verbinden wir negative Erfahrungen. Doch wird das Wort einmal richtig analysiert, dann steckt darin doch eher Positives: Denn die Täuschung ist beendet. Ein Neuanfang wird möglich.

Hiob konnte neu beginnen - mit Gott und, daraus folgend, auch mit seinen Freunden.

Mögen wir dieser Tage allen Täuschungen widerstehen können, den offensichtlichen ebenso wie den ganz verführerischen.