Gedanken zum Tag

  • 20.05.2020
  • Prädikantin Dr. Almuth Märker

Die Entschleunigung des Alltags durch Corona birgt seit Wochen die Chance, gewohnte Abläufe aus dem allzu eingefahrenen Gleis zu heben und zu korrigieren, ja sogar Alltagsritualen ein anderes Gewicht zu geben und durch sie dem Tag neuen Glanz zu verleihen.
Ich habe diese Chance ergriffen. Beschränkte sich bisher das Lesen der Losung am Morgen aus einem flüchtigen Blick auf das Fettgedruckte, so habe ich die Kostbarkeit der wenigen Zeilen, die jedem einzelnen Tag zugeordnet sind, erst jetzt entdeckt. Besondere Freude bereitet mir die mit „Kl“ eingeleitete Bibelstelle. Als „Kirchenjahreslese“ bezeichnet die Einleitung des Losungsheftchens die danach angegebenen Bibelverse. Durch sie wird das Geflecht von Texten, die dieser Woche das Gepräge geben, noch erweitert. Schon am vergangenen Sonntag, dem Sonntag „Rogate – Betet!“, hatten sich alle Texte für den Gottesdienst – Wochenspruch, -psalm und -lied, Evangelium, Epistel – am Thema des Betens ausgerichtet. Welch eine Vielfalt das Gebet, unsere in Gedanken oder in Worte gefasste Hinwendung zu Gott, in unserer Glaubenspraxis haben darf und haben kann! Vom jubelndem Jauchzen und Danken über verzweifeltes Flehen und auf den Knien Liegen ist alles dabei. Aber auch das möglicherweise falsche Ziel unserer Anbetung ist mit dem Goldenen Kalb genannt. Die Fürbitte – was wären wir als Gemeinde hier in Leipzig und weltweit ohne sie! - ist uns in der Brieflesung ans Herz gelegt. Und schließlich wird uns das Gebetsgeschenk des Vaterunser ins Gedächtnis gerufen.

Heute wird diesen Texten die Geschichte von der Heilung eines besessenen Knaben an die Seite gestellt (Mk. 9, 14-29). Wir kennen diese Geschichte seit Jahresbeginn, denn aus ihr stammt die Jahreslosung: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Ja! Die gebetete Anrufung Gottes kann auch aus dem Hilferuf bestehen, nicht weiter zu wissen.

Ich blicke zurück: Wie sah dieser Hilferuf vor Monaten, als das Jahr begann, aus? Wie hat sich dieser Hilferuf durch Corona verändert? Und wie werden wir ihn am Ende dieses Jahres beten – noch stärker belastet oder dann erleichtert?

Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft!

Prädikantin Dr. Almuth Märker