Gedanken zum Tag

  • 03.06.2020
  • Landesbischof i.R. Christoph Kähler

Achtung Polemik

Wissen Sie, wann der Weltbauerntag ist – oder der Weltmilchtag oder der Weltelterntag? Ehrlich, ich wusste es bis gestern nicht und werde es nächste Woche wohl schon wieder vergessen haben. Doch eine Kolumne in der Leipziger Volkszeitung äußerte sich gestern herabsetzend über Christen und ihr – nicht vorhandenes – Verständnis von Pfingsten. Den 1. Juni dagegen als „Weltkindertag“ hielt Peter Korfmacher für sinnvoll und die bereits genannten Tage – alle am 1. Juni – für nahezu selbsterklärend. Ich frage den Kulturkritiker lieber nicht, warum er den „Weltkindertag“ vom 20. September und den „Internationalen Kindertag“ vom 1. Juni verwechselt; das können wohl nur noch gelernte DDR-Bürger wissen. Ich frage ihn auch nicht, worin der inhaltliche Unterschied zwischen den beiden besteht und wer unter den Leipzigern darüber Auskunft geben könnte, ohne im Internet nachzuschlagen. Wetten, dass von der Gründungsgeschichte der Kirche mehr Menschen in unserer Stadt auf Anhieb berichten könnten!
Doch der zweite Pfingsttag –  in diesem Jahr am 1. Juni –  hat ganz praktische Auswirkungen. Erst er ermöglicht „das liebliche Fest“ für alle, ob sie nun Wave-Gotik-Fans sind oder nicht. Die Abreise muss weder von den Fans noch von anderen für den Sonntagabend geplant werden. Wir können uns füreinander mehr gemeinsame Zeit als an einem normalen Sonntag nehmen, weshalb sich mit den Kirchen selbst die Gewerkschaften für die Erhaltung des Pfingstmontags eingesetzt haben und einsetzen.
In dieser Woche begleitet uns ein Spruch aus dem Propheten Sacharja: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ In einem Geist miteinander zu sprechen, durch den wir in unserer Stadt friedlich und in schwierigen Lagen gemeinsame und „geistvolle“ Lösungen finden, gilt mir nach wie vor als die Grundlage für alles andere. Erst auf einer solchen gemeinsamen Basis kann man Lösungen für Produzenten und Konsumenten von Lebensmitteln finden, dürften Eltern und Kinder in ihren unausweichlichen Konflikten friedlich streiten. Übrigens habe ich in den vergangenen Jahren zunehmend mehr Wave-Gotik-Fans in der Thomaskirche andächtig lauschend erlebt. Schade, dass es in diesem Jahr nur so wenige sein konnten.