Gedanken zum Tag

  • 26.06.2020
  • The Reverend Dr. Robert G. Moore

Wohl denen, die das Gebot halten und tun immerdar recht! (Psalm 106,3)

Die Losung für den heutigen Tag weckt bei mir Kindheitserinnerungen. Meine Eltern waren in ihrem Verhalten typisch für die 50er und 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Sie waren sehr streng. Als Kinder mussten wir genau das tun, was die Eltern verlangten. Ihre Forderungen waren aber nicht schlimm: Wir mussten Zähne putzen, Hände waschen, Zimmer aufräumen, Hausaufgabe machen. Ja, heute würden meine Eltern als autoritär angesehen werden. Man hat die Regeln zu beachten, ohne ständig nach dem „Warum?“ zu fragen.

Als Kind bin ich weitgehend dem Willen meiner Eltern gefolgt, obwohl ich auch trotzig sein konnte. Als ich älter wurde, gab es immer mehr Konflikte. Die verliefen Ende der 60er Jahre durchaus dramatisch. Obwohl ich meinen Eltern nicht widersprechen durfte, änderte sich alles, als ich 1968 mein Abitur ablegte: der Vietnamkrieg und die Proteste gegen diesen Krieg, die Bürgerrechtsbewegung, die sexuelle Revolution, die Frauenbewegung. Plötzlich war es „in“, alle Autoritäten und Werte, die sie vertraten, anzuzweifeln. Das bedeutete: Gehorsam zu sein, reichte nicht.

Für mich war es ein langer Prozess, die 10 Gebote so zu verstehen, dass ich sie annehmen konnte. Gleichzeitig wollte ich aber auch kritisch darüber nachdenken, was richtig ist. Für mich wurde es zu einer Offenbarung, als ich das erste Mal die Erklärung der 10 Gebote im Kleinen Katechismus von Martin Luther las. Da macht Luther klar, was es bedeutet, die Gebote zu halten und recht zu tun. Es geht nicht darum, was wir gegenüber unsern Nächsten nicht tun sollen. Vielmehr verdeutlicht Luther, wie wir leben und was wir tun sollen. So schreibt Luther zum fünften Gebot „Du sollst nicht töten.“: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unserm Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid tun, sondern ihm helfen und beistehen in allen Nöten.“ Luther zeigt auf:

1.     Wir Menschen sind letztendlich Gott verantwortlich;
2.     es geht nicht nur darum, was wir vermeiden sollen;
3.     wichtig ist, wozu wir Menschen verpflichtet sind: Wir sollen unsern Nächsten helfen und beistehen in allen Nöten.

Das aber setzt voraus, dass wir kritisch darüber nachdenken, wie wir unterschiedlichen Menschen in einer Gesellschaft zusammenleben wollen und worin der Beitrag des Einzelnen besteht: unseren Nächsten zu achten und beizustehen und dadurch Gott die Ehre zu geben.