Gedanken zum Tag

  • 02.07.2020
  • Thomasorganist Ullrich Böhme

Standortfragen

In diesen Tagen, in denen sich der Bau der Bach-Orgel zum 20. Mal jährt, denke ich oft an die Zeit zurück, als die Idee Stück für Stück konkret und greifbar wurde.
Eines der größten Probleme war damals die Frage, wo denn eine neue Orgel in der Thomaskirche ihren Standort haben könnte. Die Westempore war durch die Sauer-Orgel „besetzt“ und kam deshalb nicht in Betracht. In der nordöstlichen Ecke der Kirche stand die Schuke-Orgel aus dem Jahr 1967 an einer akustisch ungünstigen Stelle. Und dann gab es ja noch die  Denkmalpflege, die bei allen Orgelbauern gefürchtet war und ist, weil sie oft Probleme beim Bau neuer Instrumente macht.
Im Januar 1997 gab es einen Ortstermin mit dem Landeskonservator Prof. Dr. Heinrich Magirius aus Dresden. Er war schon damals eine Legende, niemand kannte sich besser mit der Geschichte und der Architektur der sächsischen Kirchen aus. An einem Abend gingen nur wir beide durch die Thomaskirche und besahen uns die damals noch vorhandene Schuke-Orgel. Ich merkte sehr schnell, daß Prof. Magirius mit diesem Instrument nicht glücklich war. Die wunderbare umlaufende Renaissance-Empore der Thomaskirche von Hieronymus Lotter wurde ja durch das Rückpositiv der Schuke-Orgel durchbrochen, was inzwischen auch von der Denkmalbehörde als Problem angesehen wurde.
Zu dieser Zeit hatte ich längst eine Idee, wo die neue Bach-Orgel einen akustisch guten Platz hätte und wo sie darüber hinaus ein architektonisches Schmuckstück der Thomaskirche sein könnte. Nachdem ich dem Professor meine Überzeugung erläutert hatte, daß eine gut klingende Orgel in der Mitte der Kirche und nicht in der Ecke stehen sollte, blickte er an die Stelle, an der heute die Bach-Orgel steht: auf die Nordempore im 3. Joch von Osten, gegenüber dem Bach-Fenster.
Seitdem war die Standortfrage geklärt und die Denkmalpflege in Dresden hat unsere Bemühungen um die neue Bach-Orgel wohlwollend unterstützt.
Wer heute die Brüstung der Nordempore betrachtet, kann noch erkennen, an welcher Stelle sie einmal unterbrochen war.