Motette am 3. März 2023

  • 03.03.2023
  • Pfarrerin Britta Taddiken

Motette am 3. März 2023

Liebe Gemeinde,

wir haben drei gesungene Gebete gehört, es ist Fastenzeit und wir sammeln und konzentrieren uns. Mir hat es vor allem die wunderbare Motette „Erforsche mich, Gott“ von Sebastian Knüpfer angetan. Von ihm sind leider die meisten Werke nie gedruckt worden, dabei scheint er eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit gewesen zu sein – und hochbegabt. Schon als Zehnjähriger versah er in seiner Gemeinde den Organistendienst. Danach besuchte er das Gymnasium in Regensburg, studierte später Philosophie und Philologie und wurde dann 1657 Kantor der Thomasschule in Leipzig, so hieß das damals. Thomaskantor mit 24 Jahren!

Um Knüpfer bildete sich ein Kreis angesehener Musiker (u. a. der Nikolaikantor Elias Nathusius, die Thomasorganisten Gerhard Preisensin und Jakob Weckmann und der Arzt Johann Caspar Horn), der Leipzigs Ruf als bedeutendem Musikzentrum noch stärkte. In der Laudatio zum Tode Knüpfers, der leider nur 43 Jahre alt wurde, hieß es: „Die Wahl Knüpfers gereichte dem Musikleben Leipzigs zum Heile und dem Thomaskantorat zum Segen.“ 

Nun, es ist schön, dass wir zu Beginn der Fastenzeit seine Motette über diese Worte aus Psalm 139 gehört haben: „Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz, prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“ Das sind Worte eines Menschen, der ein inniges Verhältnis zu Gott sucht, sich ihm ganz anvertraut. Wer kann sich schon wünschen und ihn darum bitten: Bitte durchschaue mich und sage mir bitte, was nicht stimmt und hilf mir, auf den richtigen Weg zu kommen. Eigentlich versuchen wir ja, nach außen stark aufzutreten. „Warum sollte ich mich vor Gott klein machen, warum mich als schuldigen, erbarmenswerten Menschen bezeichnen“, so höre ich es immer mal von Menschen, die es furchtbar finden, dass zu unseren Gottesdiensten am Sonntag auch ein allgemeines Schuldbekenntnis gehört. Ich kann da immer nur auf diesen 139. Psalm verweisen und sagen: Wir machen uns nicht klein. Sondern wir verhalten uns zu Gott wie ein Gegenüber. Hier können wir nämlich wirklich sein, wie wir sind, wir können offen sein, wir sind geschützt im Raum des Gebets. Und wir können ablegen, was uns belastet.

Es ist wunderbar, wie innig Knüpfer gerade diesen einen Vers auslegt, vielleicht haben Sie das noch im Ohr, dieses Auf und Ab der Stimmen bei der Bitte: „Und leite mich auf ewigem Wege.“ Unser Leben ist wie ein Wellental und das ewige Leben, das beginnt damit, dass Gott dabei an unserer Seite steht. Das ewige Leben beginnt hier, denn ewig steht für eine Qualität des Lebens, nicht für seine Dauer. Ewiges Leben auch mitten in den Wellentälern unseres Lebens zu finden, wenn ich weiß, was auch immer ich erlebe, ich bin in und bei und durch Gott aufgehoben. Und das gibt mir Kraft, wieder aufzustehen, es wieder neu zu versuchen.

Es ist in diesen Wochen der Passionszeit so, dass wir den Weg Jesu ans Kreuz bedenken. Das Kreuz – auch etwas, was für viele quer steht bis dahin, dass es sie am Glauben hindert, warum ist das nötig, was soll das. Es ist auch nicht so einfach zu verstehen, auch die Jünger tun sich in den Evangelien schwer damit, das ist das Thema der Kantate, die wir morgen in der Motette hören werden. Und es ist auch erst einmal paradox: Aber nur durch diesen Weg Jesu durch Leid, Kreuz und Tod hindurch können wir in unserem Leben schon etwas vom ewigen Leben spüren mitten in den Wellentälern unseres Lebens und gerade auch wenn wir ganz unten sind oder eine Welle voll auf uns draufkracht und wir erst mal nicht wissen, wie uns geschieht. Genau an diesen Ort aber ist Gott selbst gegangen in Jesus. Er ist dahin gegangen, um dort mit uns sein zu können, mit uns zu leiden, mit dazu sein. Und zugleich: Um all dem den letzten Anspruch auf unser Leben zu entreißen. Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort über uns, so schwer er auch zu ertragen ist. Sein Anspruch auf uns stirbt mit, wenn Jesus am Kreuz stirbt. Er stirbt, er ist tot – aber Gott ruft ihn in ein neues Leben. In das ewige Leben. Es ist schon da, es umgibt uns. Wir können uns ihm anvertrauen. Der Beter des Psalm 139 weiß davon. Und ich glaube, auch Knüpfer wusste davon, wenn er so innige Musik schreibt für Worte wie: Erfahre mein Herz, Gott. Es ist ein Wagnis, sich auf Gott einzulassen, ganz und gar sich ihm anzuvertrauen. Davon muss kein anderer wissen, Jesus selbst empfiehlt ja das Gebet im stillen Kämmerlein. Den meisten, die dieses Wagnis eingehen, tut es gut, irgendwann tut es gut, auch wenn man mehrere Anläufe brauchen mag. Und der Vers aus dieser Motette kann einen dabei gut leiten: „Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“ Amen.  

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org