Motettenansprache

  • 04.02.2017
  • Pfarrerin Jutta Michael

Liebe Gemeinde,
morgen ist der letzte Sonntag nach dem Epiphaniasfest.
Wir befinden uns auf der Grenze zwischen Weihnachten und Passion. Wir hörten aus einem Brief des Apostels Paulus, der mit einem starken Bild um Halt ringt.
Er, der sie eigentlich so sicher haben müsste, die Klarheit des Glaubens, spricht davon, dass er unsicher ist, angegriffen wird und offensichtlich bedrängt, weil ihm niemand so recht abnimmt, was er den Menschen über die Kraft des Glaubens sagen will.
Er nimmt uns hinein in seine persönliche Lebensgeschichte mit dem Evangelium; er schreibt seine Glaubensgeschichte mit dem" Wort von Kreuz".
Paulus ist überzeugt, da die Kraft Gottes erkannt zu haben und nennt sie den „Schatz im irdenen Gefäß".
Noch einmal ein Geschenk. Nun wirklich im letzten Moment Weihnachten: so wenig auffallend, verpackt in der Zerbrechlichkeit des Alltags, in das ganz normale Leben, in alle Unzulänglichkeit und Unvollkommenheit.
Dahinein, an die Schwelle von der Krippe zum Kreuz, der lichtvolle Schatz. Er will uns hinüber leuchten.
Paulus beschreibt das so:
„Gott, der sprach: ‘Aus Finsternis soll Licht leuchten', der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi."
Wie das Wort Gottes am Anfang der Schöpfung das Licht von der Finsternis scheidet, so wird das Licht der Menschwerdung Gottes schon im Licht von Ostern beschrieben: „Er ist der Morgensterne, sein Glanz streckt er von ferne vor andern Sternen klar.", haben wir gesungen.
Paulus ist sich sicher: In Christus offenbart sich Gott.
Damit meint er den Menschen Jesus von Nazareth, wie er lebte, was er tat und lehrte. Und er meint sein Sterben und Auferstehen als Gottes Sohn.
Damit sind alle menschenmöglichen Räume ausgefüllt, alles, was wir leben und erleben - in all dem ist Gott.
Alles ist ausgeleuchtet von seinem Glanz.
Ein Schatz in irdenen, also ganz alltäglichen Gefäßen, zerbrechlich und gar nicht vollkommen.
Dieser Paulus, der mit seiner Lehre die ersten Gemeinden prägte und der die theologische Diskussion bis heute beschäftigt, war keineswegs eine strahlende und perfekte Persönlichkeit.
Den Erwartungen und Wünschen der Korinther, in deren Stadt er eine Gemeinde gründete, entspricht der Apostel überhaupt nicht: ein irdenes, zerbrechliches Gefäß.
Seine Zuhörer verstanden das „Wort vom Kreuz" nicht; wollten nicht glauben, dass ein Gekreuzigter der Christus sein kann, der, den Gott auserwählt hat. Sie wollten jetzt schon schauen, und nicht auf etwas hoffen, was man nicht sieht. Sie zweifelten an der Lehre und der Person des Paulus.
Paulus muss sich verteidigen.
Er empfindet seine Lage als bedrängend.
Er reagiert mit der Hoffnung wider dem Augenschein:
„Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um."
So ist das irdene Gefäß.
Es ist die Zerbrechlichkeit des Alltags.
Sie zeigt sich in unserer Not und Angst, da, wo Lebenspläne nicht mehr aufgehen und das Glück brüchig wird.
Sie zeigt sich in unserer Unzulänglichkeit und Unsicherheit, dem mangelnden Mut, der Bequemlichkeit.
So erfahren wir uns selbst - und brauchen doch vor uns nicht die Augen verschließen. Denn da hinein hat Gott einen hellen Schein gegeben. Den Schatz als die Kraft Gottes.
Gott ist da für uns, auch in Verletzung, Schwäche und Leid.
Alles ist ausgeleuchtet mit diesem Licht.
Das ist die Kraft für das ABER in den Sätzen des Paulus:
Wie es erleichtert, jemanden um Verzeihung zu bitten.
Welche Last abfällt, wenn das Gespräch endlich in Offenheit sein kann, weil einer zuhört ohne schon geurteilt zu haben.
Wenn etwas in Scherben geht, wie trägt dann, wenn wir einen Menschen haben, dessen Nähe uns tröstet.
Wie hilfreich ist dann, einen Weg zu sehen oder mindestens den nächsten Schritt.
Wie ermutigend, wenn es jemanden gibt, der etwas erwartet und sich seine Vision bewahrt.
War da gar im kritischsten Moment ein Licht in uns?
Die Hoffnung, dass es einen Weg gibt?
In der schwierigen Situation jenes Licht der Herrlichkeit Christi, von dem wir gehört und gesungen haben? Dem wir die Kraft zutrauen, uns frei zu machen?
„Gott, der sprach: ‘Aus Finsternis soll Licht leuchten', der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi."

Pfarrerin Jutta Michael
michale.jutta@gmx.de