Motettenansprache

Die Ansprache wurde von Superintendent Christian Behr im Rahmen des sog. "Kanzeltausches" von Thomaskirche und Kreuzkirche Dresden gehalten.

  • 22.01.2023 , 3. Sonntag nach Epiphanias
  • Superintendent Christian Behr

Motette Leipzig 21.1.23 „Alles nur nach Gottes Willen“

„Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen“ Mt.8,2

Liebe Gemeinde,

„de servo arbitrio“ heißt eine der theologischen Hauptschriften von Martin Luther – „über den unfreien Willen“ – oder sogar „über den geknechteten Willen“.  Er suchte damit die Auseinandersetzung mit Erasmus von Rotterdam, der aus seiner humanistischen Sicht ein Jahr zuvor die Schrift „de libero arbitrio“ – „vom freien Willen“ verfasst hatte.

Klingt doch besser – passt besser zu uns heute – ein freier Wille?

Ich möchte nicht die reformatorische Auseinandersetzung nun 500 Jahre später zum Thema machen. Wir hören aber nachher auch eine Kantate, die schon vor 300 Jahren komponiert wurde – alles schon lange her – und doch auch nicht. Da wir gerne auch heute Bachkantaten hören und sie vor allem auch deshalb hierher gekommen sind. Aber auch, da die Auseinandersetzung über den freien oder den unfreien Willen bis heute anhält – auf unterschiedliche Art und Weise.

Haben denn die Thomaner einen freien Willen? Immer und überall? Jeder singt was er will und so laut er kann? Ich habe lange in einem Chor gesungen. Der Kantor betonte immer wieder, zwar mit einem Augenzwinkern, „Chorleitung ist Diktatur“. Und manchmal haben wir das auch gespürt. Aber – wie sollten wir zu einem gemeinsamen Klang kommen, wenn nicht einer die Spur vorgibt. Und wir uns auch mit unserem Willen unterordnen? Also nicht immer und überall ein freier Wille? Aber doch auch?

„Alles nur nach Gottes Willen“ heißt die Kantate, die wir gleich hören werden. Und da ist nichts groß schwermütiges und gedrücktes zu hören, wie man es bei einem solchen Titel vielleicht vermuten könnte. Nein – es geht im Eingangschor sogar fast etwas stürmisch oder zu mindestens sehr bewegt zu. Also ist es für Johann-Sebastian Bach wohl auch nichts bedrückendes gewesen, sich Gottes Willen unterzuordnen?

„Herr, so du willt“ hören wir es neun mal im Rezitativ klingen. Mit verschiedenen Themen, die dabei angesprochen werden.

Kurz vor dem Evangelium des morgigen Sonntags sagt dies auch ein am Aussatz erkrankter Mensch zu Jesus: „Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen“. Hier ist einer, der sich ganz dem Willen eines anderen aussetzt – hier dem Willen Jesu. Nun könnte man meinen, er hat ja gar keine andere Chance mehr als schwer kranker Mensch. Man könnte aber auch überlegen, dass er seine Heilung von diesem „Wunderheiler“ einfordern könnte – und dies eben  nicht tut. „Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen.“

Diese Einstellung ja nichts mit einer fatalistischen oder schicksalsgläubigen Unterwürfigkeit zu tun. Das kann man auch Martin Luther nicht unterstellen, dass er es so mit dem unfreien Willen gemeint hätte. So kämpferisch er ja dann auch oft war. Sich Gottes Willen zu unterstellen kann und wird auch immer bedeuten, dass ich ihm viel zutraue. Dass ich auch gleichzeitig frage, was er von mir erwartet. So beten wir ja nachher auch gemeinsam im „Vater unser“ – „Dein Wille geschehe“. Dabei aber nicht die Hände in den Schoß legen, und darauf warten, was geschieht, sondern nach Gottes Willen handeln, so wie er mir in meinem Leben begegnet.

Die Sammlung an Briefen, die Dietrich Bonhoeffer aus der Haft schrieb, hat man im Nachhinein mit „Widerstand und Ergebung“ betitelt. Ergebung in Gottes Willen kann eben auch Widerstand bedeuten. Nicht grundsätzlich, aber von seinem Auftrag angestoßen. Das kann auch heißen Kriegstreibern und Ausbeutern in die Arme zu fallen, wie es Bonhoeffer getan hat. Oder es kann heute heißen Umwelt- und damit Schöpfungsverschmutzer aufzuhalten. Und eigenes Handeln immer wieder zu hinterfragen. Stehe ich noch da, handle ich noch so, wie Gott es von mir erwarten kann? Nehme ich mich der Armen, der Durstigen und Hungrigen, der Gefangen und Fremden, der Obdachlosen und Geschundenen an? Frage ich auch da nach Gottes Willen und lasse mich anstoßen zum Handeln?

„Alles nur nach Gottes Willen“, kann unheimlich befreiend sein. Da es eben nicht von mir und meinem Willen abhängt, sondern weil ich immer wieder nach Gottes Willen fragen kann und mich danach ausrichte. So sind wir dann doch von ihm abhängig – und haben wohl auch einen „unfreien Willen“ – einen „servo arbitrio“. Wir können das als Christenmenschen aber auch heute gut und gerne aushalten.

Amen