Motettenansprache

  • 20.09.2019
  • Pfarrerin Britta Taddiken

Liebe Gemeinde,

Wer mich liebt, der wird mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.

 Der Text dieses Duetts aus Bachs gleichnamiger Kantate stammt aus dem Johannesevangelium. Jesus verspricht seinen Jüngern an dieser Stelle Besonderes. Etwas, das an die Mystik erinnert: Dass er und sein Vater im Herzen desjenigen wohnen werden, einziehen werden, der liebt. Der Gott liebt. Wer liebt, wird durchdrungen von Gott. Letztlich ist das nichts anderes – auch wenn das jetzt mitten im September seltsam anmuten mag -  nichts anderes als Pfingsten. Pfingsten nach Johannes. Was sich in der Apostelgeschichte aber unter Rauschen und Sturm vollzieht, geschieht hier in der Stille, sehr innig: Gott zieht bei uns ein. Er kann  ins Innerste jedes Menschen kommen. Er will in uns wohnen – auf der Basis der Liebe und der Verständigung. Damit eröffnet er in uns einerseits einen Raum für den Trost, den wir in dieser Welt in ihrem Ineinander von Elend und Größe, Kummer und Glück dringend benötigen. Und verheißt uns andererseits eine notwendige Erneuerung und Korrektur unseres Denkens und Fühlens:  Euer Herz wird eine andere Sprache sprechen als die, die wir weltweit so oft zu hören bekommen: Die Sprache von Häme, Hass und Herabsetzung. Die Sprache, in der sich eine bestimmte Haltung kundtut: christliche Werte wie die Wertschätzung der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen als Gutmenschentum abzutun. Wo das geschieht, legen wir die Axt an die Wurzeln dessen, was uns trägt und in Frieden zusammenleben lässt.

 Mit kaltem Herzen lebt es sich nicht gut, mit leerem auch nicht. Und immer sind wir als Menschen auf der Suche nach etwas, wo unser Herz nicht nur Ruhe finden kann, sondern nach dem, womit wir es füllen können. „Lasst Euch erfüllen – von mir.“ So verstehe ich das Angebot Jesu. Liebt Gott und liebt den Nächsten. Das ist alles, was ihr wissen müsst. Aber was heißt „Wissen“. Ja, wir wissen das eigentlich. Aber können wir es? Schaffen wir das aus uns selbst heraus? Wie kann ich das schaffen, ihn/sie zu lieben? Vielleicht den Ex-Mann, die Ex-Frau, die nichts ausgelassen hat, um mir zu schaden und das Leben schwer zu machen. Meinen verbohrten, in seinem geschlossenen Weltbild gefangenen Chef, dem man mit Argumenten nicht kommen kann. Wie kann ich ihn lieben, den Nachbarn, der neuerdings rassistische Sprüche klopft? Wie kann ich lieben den, der sich an einem Kind vergangen hat? Wie kann ich das? Ich kann das nicht. Ich scheitere daran. Das geht doch nicht, was ist mit den Opfern, mit denen, die da niedergemacht werden?

 Wir können nicht anders. Unser Herz wird sich immer mit irgendetwas anfüllen. Mit Liebe, ja, bei denen, die wir mögen, ist das kein Problem. Bei den anderen schon. Da schaffen sich andere Dinge in unserem Herzen Platz, wenn nicht gar die Übermacht. Das macht uns uns bisweilen selbst fremd. Wenn wir verstehen, dass unser Herz nicht leer bleiben kann, sondern dass es erfüllt werden will, dann können wir uns nur wünschen, dass es so sein möge wie bei dem, was Jesus hier sagt: Dass er Wohnung bei uns machen möge. Dass ausziehen muss, was uns eng, kaltherzig und leer macht.

 Wir finden ein ganz ähnliches Bild im sog. Magnificat, dem Loblied der Maria, das wir gleich in der Vertonung von Antonio Vivaldi hören werden. Sie singt ihr Lob darüber, dass Gott in ihr einzieht. Dass er dort nicht nur Wohnung nimmt, sondern heranwächst. Da sind wir dann ebenfalls mitten im September schon mitten im Advent bzw. bei Weihnachten. Maria trägt aus, was Gott in sie als Samen gelegt hat. Sie lässt es in sich groß werden, lässt es heran wachsen und bringt es zur Welt. Das Prinzip der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Wer das als „Gutmenschentum“ verunglimpft, mache sich bitte klar: Das ist die Basis für alles Leben in Freiheit und Gerechtigkeit, das auf Erden möglich ist. Je auf unsere Weise sind auch wir Maria und tragen das in uns Gelegte aus. Die Fähigkeit zu lieben, die Gott in uns gelegt hat. Er wird sie erhalten, er wird sie selbst neu erwecken, wo sie zu erlöschen droht.

 Es ist die Frage, wen oder was wir bei uns einziehen lassen. Maria hat begriffen, dass in ihr die Liebe Gottes heranwächst und sie ihr Gestalt verleihen darf –und es auch kann. Ich bin überzeugt: Auch wir können das. Wir sind nicht Maria, wir sind nicht wie sie. Aber wir können sehr wohl fühlen, was sich in uns regt. Bitten wir Gott, dass er diesen Raum in uns einnehme, wie es Jesus seinen Jüngern im Johannesevangelium verheißt: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.  Amen.

Gebet

Wir beten mit Worten des Kirchenvaters Augustinus:

Atme in mir, du Heiliger Geist, dass ich Heiliges denke. Trebe mich, du Heiliger Geist, dass ich Heiliges tue. Locke mich, du Heiliger Geist, dass ich Heiliges lebe. Stärke mich, du Heiliger Geist, dass ich Heiliges hüte. Hüte mich, du Heiliger Geist, dass ich das Heilige nie mehr verliere.

Vaterunser…

 

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org