Predigt im Abendgottesdienst über Lukas 16,1-9

  • 19.11.2017 , Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
  • Pfarrerin Taddiken

 

Predigt im Abendgottesdienst am Vorletzten Sonntag im Kirchenjahr, 19. November 2017 über Lukas 16,1-9

Jesus sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3 Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4 Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. 5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6 Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7 Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. 8 Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. 9 Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde,
ist das nicht verkehrte Welt in dieser Geschichte vom unehrlichen Verwalter? Da lobt Jesus einen Haushalter, dem Veruntreuung vorgeworfen wird und sich, da an dem Vorwurf offensichtlich etwas dran zu sein scheint, durch einen kühl kalkulierten Betrug aus der Affäre zu ziehen versucht. Man fühlt sich erinnert an den sog. Dieselskandal, an Abgaswerte und Abschaltvorrichtungen, wo Betrug durch noch mehr Betrug zu vertuschen versucht wurde. Und so mancher Ökonom - der Verwalter heißt hier im griechischen Text oikonomos - hat ja durchaus nicht mehr das im Sinn, was sein Titel ihm eigentlich gebietet: Haushalterisch mit dem ihm anvertrauten Gut umzugehen. Als Treuhänder das anvertraute Vermögen nach bestem Wissen und Gewissen zu verwalten im Wissen: Es gehört jemand anderem, es ist ein Teil des Lebens eines anderen, manchmal seine ganze Existenz. Nein, nicht alle sind so, wie die Sorte Banker, die ahnungs- und vor allem arglosen älteren Leuten faule Papiere andrehen um die Provision zu kassieren. Bei weitem nicht. Aber um die Frage, ob es den ehrbaren Kaufmann im Jahr 2017 noch gibt, geht es in dieser Geschichte nicht.

Dennoch: Es geht um einen Betrug und es geht bis zum Schluss, auch wenn er gelobt wird, um einen „ungerechten Verwalter". Das bleibt im Text stehen.
Das also soll gutgeheißen werden? Was für ein anstößiges Gleichnis ist das, es scheint gegen alles zu sprechen, was Jesus sonst propagiert. Es ist eine Herausforderung, eine spannende, wenn man einen zweiten Blick darauf wirft. Alles beginnt mit dem Vorwurf, der Verwalter „verschleudere" das Vermögen seines Herrn. Interessanterweise fällt der gleiche Begriff wie in dem diesem Gleichnis direkt vorausgehenden Gleichnis des verlorenen Sohns. Hier wie dort meint dieses Wort allerdings nicht ein bewusstes Veruntreuen, sondern ein unachtsames, nicht engagiertes Umgehen mit dem Vermögen. Das heißt: Der Verwalter kümmert sich nicht richtig aktiv um das ihm Anvertraute, sondern lässt passiv und abwartend die Dinge einfach laufen. Er nutzt die ihm gegebenen Chancen nicht.

Die Nachlässigkeit des Verwalters wird aufgedeckt und ihm wird der Verlust seiner Stellung angekündigt. Ihm bleibt nur noch eine kurze Frist, um die Dokumente zusammenzustellen, die Abrechnung vorzunehmen und alles seinem Herrn zu übergeben. Er muss also schnell handeln, es bleibt nur noch eine letzte Chance.
Wie schon im vorausgehenden Gleichnis vom verlorenen Sohn wird ausführlich erzählt, wie der Verwalter über sich selbst reflektiert. Offenbar liegt hier der Schwerpunkt des Gleichnisses. Im Gegensatz zur eingangs geschilderten passiven Haltung wird jetzt der Verwalter zunächst in Gedanken und dann auch in Aktion ungeheuer aktiv. Dieses realistische Nachdenken über die eigene Situation wie auch der Gegensatz zwischen passiv und aktiv erscheint mir ein wichtiger Skopus der Geschichte zu sein. Vorbildhaft oder klug ist die rasche Entschlossenheit, mit der der Verwalter - auf moralisch durchaus problematische Weise - zu Werke geht. Ähnlich wie der verlorene Sohn findet er aus einer Haltung des Sich-Treiben-Lassens zu einer zupackenden Entschlossenheit. Die provozierende moralische Problematik des Verhaltens bleibt da natürlich. Aber stellen wir sie erst mal zurück und gucken, was der Verwalter denn gewinnt.
Mit seinem Betrug macht er die Schuldner seines Herrn zu seinen Komplizen, fortan müssen sie ihn in ihre Häuser aufnehmen, sie sind erpressbar geworden. Dies hat sich beim Einsatz, mit dem gespielt wird, für beide Seiten gelohnt. Die Schuldner machen leicht großes Geld, der Verwalter kann weiterhin im gewohnten sozialen Milieu verkehren.

Nun kommt der Herr mit seinem positiven Urteil über den Verwalter ins Spiel. Es ist etwas unklar, wer hier gemeint ist, der reiche Mann vom Anfang oder Jesus? Ich gehe mal vom ersteren aus. Dann wäre er ein guter Verlierer und entdeckt bei seinem Verwalter, was er bisher vermisst hat: kluges, entschlossenes Handeln.
Wenn man es auf diese Pointe zuspitzt, besteht das Vorbildhafte des Verwalters in seinem nüchternen abwägenden, erfindungsreichen und dann vor allem entschlossenen Handeln, das ganz dem Ziel verpflichtet ist. In diesem Sinne wäre auch der Vers zu verstehen: „Lernt von den Kindern der Welt" - sprich: den korrupten, unmoralischen Reichen und den Erfolgreichen - lernt von ihnen gerade auch dann, wenn ihr nicht deren moralisch problematisches Verhalten nachahmen, sondern Kinder des Lichts sein wollt. Denn auch für das Gottesreich braucht es mehrerer Einsichten bzw. Fähigkeiten:

• eine zupackende Entschlossenheit
• ein nüchternes Bild über die eigene Lage
• und das realistische Verständnis davon, dass es im Leben eben manchmal kein zweites Mal gibt nur ein erstes und ein letztes, also dass es für manches im Leben echt zu spät sein kann.

Ich verstehe die Geschichte in ihrer Anstößigkeit, die nicht wegzureden ist so, dass die Pointe entscheidend ist: Es gibt eine Chance - wenn es vielleicht auch die letzte ist. Denn worum geht es in dieser Bildrede denn? Es geht doch bei dem anvertrauten Vermögen um unser Leben mit seinen Chancen, um unsere Begabungen, um uns anvertrautes Vermögen! Wie gehen wir damit um? In der Regel verschleudern wir es nicht aktiv, sondern lassen doch viel zu viel davon ungenutzt liegen, gehen damit unachtsam, nicht engagiert genug um. Das nimmt dieses Gleichnis ernst! Genau wie auch den Moment der Rechenschaft, der kommen wird, den wir abzulegen haben. Man scheut sich in der Kirche und von den Kanzeln ja oft - ich mich auch, muss ich zugeben - diese Ernsthaftigkeit anzusprechen und lieber gleich von der Barmherzigkeit und Milde Gottes zu sprechen, die er mit uns armen Sündern hat. Ja, die hat er auch, Gottseidank. Aber damit den anderen Punkt auszublenden: Damit nehmen wir weder Gott ernst noch uns selbst. Nein, die Selbstreflexion über unsere Lage wie sie der ungerechte Verwalter durchführt, sie sollte uns nicht fremd sein, wenn wir denn unser Denkvermögen auch zu den uns von Gott verliehenen Gaben zählen und es nicht brach liegen lassen möchten...

Aber das ist noch nicht mal alles, denn die Geschichte ist hier ja noch nicht am Ende, es kommt ja noch der Satz von Jesus, der genauso anstößig ist wie das ganze Gleichnis: „Macht Euch Freunde mit dem ungerechten Mammon". Das kann mit Bezug auf die Geschichte doch nur heißen - und dieser Bezug ist wichtig für das Verständnis - wie schnell und klug jemand vergängliche Güter einzusetzen weiß, um damit Größeres und Wichtigeres zu erreichen. „Macht Euch Freunde mit dem ungerechten Mammon". Klingt für uns erst mal nach Bestechung, gibt aber dem Mammon den Rang des Vorläufigen: ihn einsetzen, um das zu befördern, was man für Geld gerade nicht kaufen kann. Das, was wirklich wertvoll ist wie das Geschenk unseres Lebens, geliebt zu sein und wertgeschätzt. Das gibt ihm seinen einzigen Wert, das ist seine Aufgabe - dafür setzt ihn ein, sagt Jesus. Das Vorläufige einsetzen um vor allem von und mit dem zu leben, was wirklich zählt und wichtig. Ob Mammon schnöde ist oder nicht - das liegt nicht zuletzt an uns, welchen Wert bzw. genauer Eigenwert wir ihm geben. Dieses Wort Jesu ist schon auch mammon-kritisch.

Tja, und was ist jetzt mit der Moral von der Geschicht‘ bzw. in der Geschicht‘? Fassen wir's noch mal zusammen:
Der ungerechte Verwalter bleibt der ungerechte Verwalter. Punkt. Das bleibt stehen. Betrug bleibt Betrug, auch wenn er anderen Erleichterungen anbietet und sie so entlastet, quasi das Robin-Hood-Prinzip anwendet, die Ärmeren zu entlasten ohne dem Reichen spürbar zu schaden, der es wahrscheinlich gar nicht merken würde. Denn die Angaben der Schulden von 100 Fass Öl oder 100 Sack Weizen sind wahnsinnig hoch, allein mit dem nicht zurückgezahlten Anteil ließe sich reich und wohl leben. Wie auch immer, über Reichtum oder Armut oder Stellung der Schuldner steht hier nichts, spekulieren bringt nichts. Und es hilft nicht, man bekommt den Betrug nicht weg diskutiert. Aber genauso wenig auch das Lob für diesen Menschen, der ja schon auch ein bisschen ist wie der verlorene Sohn, bei dem das Nachdenken über sich selbst ja auch eingesetzt hat. Beide Figuren haben eine richtige Einschätzung über das, was sie sind: Versager, Betrüger, größenwahnsinnig, unverantwortlich, ichbezogen - was auch immer, jedenfalls keine Menschen mit lupenreiner weißen Weste, keine notorischen „Immerallesrichtigmacher", wie so manche, die sich selbstverständlich als Kinder des Lichts auf der richtigen Seite wähnen und angewidert mit dem Kopf schütteln: „Ich bin doch kein Betrüger, ich schade doch keinem."

Ich denke, auch um diesen Punkt geht es Jesus an dieser Stelle in seiner Rede an die Jünger. Dass klar ist: Wähnt Euch da nicht - auf dieser Seite. Ihr seid es nicht. Und im Gegenteil: Dieser ständige Anspruch der „Immerallesrichtigmacher", der lähmt und tötet letztlich alles. In der Kirche kennen wir das nur zu gut, da wollen wir auch immer alle mitnehmen, dass alle alles verstehen, da nehmen wir auch Verschleuderung von Vermögen im Sinne dieses Gleichnisses hin und so weiter. Auch das ist ein Punkt. Und: Gerade die „Allesrichtigmacher" neigen ja dazu, die Hände resigniert in den Schoß zu legen, wenn sie merken, es geht eben irgendwie alles nicht so richtig - und bevor man es falsch macht, macht man lieber nichts. Der ungerechte Verwalter tut aber gerade dies nicht. Mit seiner realistischen Einschätzung, dass auch die Unmoral zu ihm gehört, geht er ans Werk. Und das gehört auch zur realistischen Einschätzung unserer selbst und dieser Welt - und da, wenn das klar ist, kann man mit dem kommen, was Jesus eben besonders ausgezeichnet hat: Sein großes Herz für die „Nichtimmerallesrichtigmacher", dass er keinerlei Berührungsangst hat mit all diesen Typen, sondern sie noch lobt oder sie uns gar als Beispiel vor Augen führt. Und das glaube ich, nimmt auch uns ernst. In unserem Reflexionsvermögen, in unserem Denken - und auch in unserer Fähigkeit zu handeln und uns etwas einfallen zu lassen. Das ist für mich das Entscheidende an diesem Gleichnis: weniger die Moral von der Geschicht‘, sondern das nüchterne Ergebnis. Und warum soll es bei Jesus nicht auch so sein können...

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org