Predigt im Festgottesdienst zum Reformationstag 2017, Matthäus 10,26-33

  • 31.10.2017 , Reformationstag
  • Pfarrerin Taddiken

Predigt am Reformationstag, 31. Oktober 2017 über Matthäus 10,26-33

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,
500 Jahre Reformation - die Evangelische Kirche in Deutschland wollte das Gedenken an Luthers Thesenanschlag nutzen, um die Relevanz der christlichen Botschaft in der Gesellschaft sichtbar zu machen. Ist ihr das geglückt? Seit Wochen geht es schon los mit der Auswertung, da gibt's freundliche wie heftige Kritik, alles zwischen großartigem Christusfest bis hin zum verschenkten Jahr, alles von der wunderbaren Überarbeitung der Luther-Bibel bis hin zur rätselhaften Selbstbanalisierung durch den Verzicht auf jedweden protestantischen Choral im zentralen Festgottesdienst vor der Kulisse Wittenbergs. Da ist große Freude über das internationalste und ökumenisch offenste Reformationsjubiläum aller Zeiten bis hin zur Analyse dessen, wo es um den Zustand unserer Kirche besonders traurig bestellt ist. „Happy-Clappy", wie es die Süddeutsche Zeitung schreibt, statt inhaltlicher Substanz? Außer Spesen, die sehr hoch gewesen sind, nichts gewesen? Nun, bislang ist weder die Kritik aus Presse und Fernsehen noch die aus den eigenen Reihen nicht besonders wohlgelitten bei den Verantwortlichen, wer lässt sich das auch gerne sagen. Und muss es nicht Zeit für Begeisterung geben über das, was gelungen ist - und die Kritik kommt dann schon noch früh genug?

Mir geht es heute nicht um eine solche Auswertung, Ich halte das auch für zu früh. Es geht mir aber um das, was man bei vielen Reaktionen auf diese Kritik bei uns in der Kirche wahrnehmen kann. Um eine latent beleidigte Verteidigungshaltung: Es war doch nicht alles schlecht, nur, weil die Zahlen nicht stimmten. Das ist der Tenor bisher. Aber um was geht es bei dieser Haltung? Um Loyalität oder das Bedürfnis, den nötigen Streit erst mal intern zu führen? Oder zeigt sich da eben doch unsere mangelnde Bußfertigkeit? Das allerdings stünde theologisch in krassem Widerspruch zu der Entscheidung, den Zeitpunkt der Thesenveröffentlichung Luthers am 31. Oktober 1517 zum Termin für das Reformationsgedenken gemacht zu haben. Denn: Mit nichts anderem beginnt ja die Reformation des Glaubens nach Jesus und die Reformation der Kirche nach Luther: Mit dem Nachdenken über die Umkehr. Der Aufruf zur Buße und Umkehr ist immer das erste, was nötig ist. Das ist der Zugang zu letztlich allen großen Themen der Reformation. Nicht zuletzt deshalb hat man 1667 den Reformationstag auf den 31. Oktober gelegt. Vorher fand das Gedenken an Luthers Geburts-oder Todestag statt oder am 25. Juni als Gedenktag der Augsburger Konfession. Damit wollte man deutlich machen: Reformationsfeste sind keine Heldengedenktage. Sondern es sollte um das grundsätzliche Anliegen gehen. Um das Evangelium vom menschenfreundlichen gnädigen Gott. Um die Gottesunmittelbarkeit jedes Einzelnen. Dass er als von Gott befreiter Mensch dem letztbestimmenden Einfluss aller anderen Mächte und vor allem seiner Ängste entrissen ist. Seiner Ängste vor Gott und den Menschen, seiner Ängste vor der eigenen Bedeutungslosigkeit, die ihn verzweifelt strampeln lassen: Ich versuche doch alles, ich bin doch gut!

In einer bemerkenswerten Predigt zum Reformationstag 1932 bringt das der damals 26jährige Pfarrer Dietrich Bonhoeffer auf den Punkt, schon ahnend, durchschauend, worauf die Kirche seiner Zeit zusteuerte:

„Hören wir's denn nicht? Protestantismus heißt nicht unser Protest gegen die Welt, sondern Gottes Protest gegen uns .... wir wissen, dass gerade der Reformationstag der stärkste Feldzug Gottes gegen uns ist. Aber wir wollen es nicht wahr haben, nicht vor uns und unserer Welt. Wir haben Angst, wir sind diesem Angriff, diesem Protest nicht gewachsen; wir haben Angst, wir blamieren uns vor Gott und der Welt, wenn wir das eingestünden. Und darum machen wir solchen Lärm um diesen Tag..., nur damit die Menschen unsere Schwäche nicht merken, ja damit wir sie selbst vergessen. Nein, wir haben keine Zeit mehr für solch feierliche Kirchenfeste, in denen wir uns selbst darstellen, wir wollen nicht mehr die Reformation feiern. Lasst dem toten Luther endlich seine Ruhe und hört das Evangelium, lest seine Bibel, hört hier das Wort Gottes selbst. Gott wird uns am jüngste Tage gewiss nicht fragen. Habt ihr repräsentative Reformationsfeste gefeiert? Sondern: Habt ihr mein Wort gehört und bewahrt?"

Man kann das fast wie einen kritischen Kommentar zu 2017 verstehen: Was hat unsere ganze Reformationsfeierei bisher ausgetragen? Wo haben wir gefragt, nach Umkehr bei uns persönlich und in unserer Gesellschaft? Was hat dieses Jahr bestimmt und bestimmt es noch? Der Mut zum neuen Anfang aus dem heraus, was uns leider in der Kirche schon lange nicht gelingt und wo wir das Erbe der Reformation in vielem leider mehr schlecht als recht verwalten? Oder ist es eher die unevangelische Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit? Bzw. die ängstliche Bezogenheit auf sich selbst, wenn wir in unserer Landeskirche unsere Synoden fast ausschließlich mit Strukturfragen beschäftigt haben - allerdings ohne genug über das zu sprechen, wo wir inhaltlich eigentlich hin wollen und was unsere Krise eigentlich ausmacht, in der wir ohne Frage stecken.
Ich frage es einfach mal. Es geht mir nicht um Miesmacherei des Reformationsjubiläums. Da gab und gibt es wunderbare Dinge und großartige Momente. Es geht mir um die Frage, ob wir von diesem Mut der Umkehr leben können. Ob uns das trägt und ob wir mutig, befreit, entlastet von der Angst um uns selbst neue Wege gehen können und zugleich unsere Traditionen lebendig und modern leben. Dafür scheint mir die latente Angst um sich selbst, die gekränkte Verteidigungshaltung im Moment kein guter Partner zu sein, wobei ich nicht verhehlen kann, dass ich diese Ängste auch bei mir selbst kenne.

Aber die Thematik des Reformationstags und unseres heutigen Predigttexts geben dazu Anlass, diese Fragen anzusprechen und zu gucken, wie verhalten wir uns denn zu diesen Ängsten und was hilft uns, aus ihnen aus-und aufzubrechen?

Es ist eine Frage von Menschenfurcht und Gottesfurcht. Darum geht es im Predigttext aus dem Matthäusevangelium im 10. Kapitel, wo Jesus seine Jünger aussendet und ihnen sagt:
Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern. Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle. Kauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge. Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.

Natürlich landen wir beim Thema „Gottesfurcht und Menschenfurcht" auch bei Luther selbst. Kaum einer hat sich nach allen Regeln der Kunst so zu fürchten gelernt wie er. Bis ihm aufgegangen ist: Gottes Gerechtigkeit bedeutet kein Aufrechnen aller Taten im Verhältnis 1:1, sondern sie ist das, was Gott dem schenkt, der ihm glaubt. Andererseits hatte ihn seine Furcht aber auch gelehrt: Wenn man Gott fürchtet, dann braucht man die Menschen nicht zu fürchten. Menschenfurcht wird durch Gottesfurcht überwunden. Deshalb konnte er im entscheidenden Moment mehr Mut als Angst haben. Er hatte verstanden: Allein Gott hat Anspruch auf unser Leben. Und niemand sonst, kein Landesherr, kein Bischof und kein Papst. Allein das soll die Gewissen formen und prägen. Sein Anspruch auf unser ganzes Leben, der sich im Evangelium von Jesus Christus hören lässt. Und dies eben nicht nur in der Kirche, sondern überall. Wie in dieser Rede Jesu an die Jünger soll jeder Christenmensch an seinem Ort für die Kommunikation des Evangeliums verantwortlich sein: die Väter und Mütter zuhause, die Knechte und Mägde, wo sie arbeiten, alle. Das gilt auch für unsere heutige Lebens-und Berufswelt. Gottesdienst findet auch im Alltag statt. Deshalb wird allen dieser Dienst aufgetragen, zugetraut - und auch zugemutet. Zwei Dinge fallen mir dabei ins Auge:

Zum ersten: Wort und Wille Jesu werden sich durchsetzen. Nichts wird geheim bleiben. Daran ändert auch die potentielle Unfähigkeit der Beauftragten nichts. Das ist die gute Nachricht, die uns hilft, uns unserer Schwäche zu stellen und trotzdem mutig weiter zu machen. Gott wird auch weiter beständig sein Wort in unsere Ohren reden, vielleicht sogar so lange, bis wir es endlich verstehen. Zumindest steht alles unter der Verheißung, dass Jesus uns bekennt vor Gott - auch mit all unserer Unfähigkeit und Furcht.

Und zum zweiten: Dieser Glaube ist nicht einzig und allein Privatsache. Jedenfalls für Christen nicht - das wird den Jüngern hier im Matthäusevangelium klar gesagt. Auch wenn uns das Wort Jesu ins Ohr gesagt wird, auch wenn unser Glaube sich höchst individuell entwickeln mag: Unser Platz ist auf den Dächern. In der Stadt, in der Öffentlichkeit. Wer das Wort Jesu dort sagt, wird nicht nur auf Begeisterung stoßen. Gerne sei dazu am Reformationstag an die alte römisch-katholische Sitte bei der Firmung erinnert: Früher bekam der Firmling eine kräftige Ohrfeige vom Bischof verpasst, damit er weiß: Das kann dir blühen, wenn du dich zum christlichen Glauben bekennst. Das möge zwar um Gottes Willen weder in der katholischen noch in der evangelischen Kirche wieder bzw. neu eingeführt werden - aber über die Symbolhaftigkeit kann man ja mal nachdenken. Verbale Schläge für das einzustecken, als „Gutmensch" lächerlich gemacht zu werden für das, was vom Evangelium her zu sagen ist - na ja, das gehört dazu. Es ist kein Grund, die Öffentlichkeit zu scheuen. „Fürchtet euch nicht", das sagt Jesus hier gleich zweimal. Und es kommt noch 363 mal in der Bibel vor, damit es sich uns jeden Tag einprägt: „Sagt, was ihr zu sagen habt."

Was ist das heute am 31. Oktober 2017? Was sehen wir da von den Dächern aus? Was ist zu sagen in Sachen Gottes- und Menschenfurcht? Und welche Impulse aus der Reformation sind dabei hilfreich?

Wir haben es in der Thomaskirche in diesem Jahr versucht mit drei der großen reformatorischen Themen: Freiheit, Bildung, Verantwortung. Wir haben es zumindest versucht, das immer wieder zur Sprache zu bringen in der Seelsorge, in der Predigt, im Unterricht, eigentlich überall: Ich muss mein Leben nicht selbst rechtfertigen. Ich muss nicht erst etwas werden, damit ich etwas bin. Was bei Luther die Angst vor dem gerechten Gott war, der Gut und Böse gegeneinander aufwiegt, ist heute eher die Stimme dieses uns ebenfalls durch's Ohr eingeflüsterte unerbittliche „Ich muss, ich muss, ich muss, sonst bin ich nichts." Aber nein, ich muss nicht. Ich muss im Leben gar nichts. Sterben: Ja. Aber ansonsten gilt: Ich kann und darf. Wenn - wie Jesus sagt - schon Sperlinge nicht vom Himmel fallen, um wie viel mehr ist mein Leben gehalten! Aus dieser Freiheit heraus können und sollen wir reden, handeln, gestalten. Wenn für uns die Reformation bis heute relevant ist, stellt sich die Frage: Wie können wir Menschen, Kindern, Jugendlichen diese Lebenshaltung nahebringen: Ich bin ein freier, geliebter Mensch, ich muss dem nicht verzweifelt nachjagen. Ich bin es schon. Ich glaube: Wer das verstanden hat, bei wem das durch's Ohr ins Herz vorgedrungen ist, der vermag vieles. Der vermag z.B. auch, wie seinerzeit Luther, zumindest im Kleinen, seine Ängste an ihren richtigen Ort zu verweisen - und der ist nicht in der ersten Reihe.

Genau damit aber haben seinerzeit ja die Ablasshändler gute Geschäfte gemacht. Und heute sind es die, die ihre Stelle eingenommen haben. Die laut schreien: „Kauft mich!" Oder: „Wählt mich" - und ihr habt Euren Seelenfrieden und seid erlöst von den Qualen der von Euch selbst aufgerichteten Hölle, an die ihr so gerne glaubt. Nein, es war kein Zufall, dass Luther sich vor seiner theoretischen Auseinandersetzung mit dem Freiheitsbegriff damit beschäftigt hat, den Ablass und seine Händler zu entlarven. Nämlich als diejenigen, die sich im wahrsten Sinne des Wortes von unseren Ängsten nähren und sie schüren und deswegen gar kein Interesse daran haben können, dass sie verschwinden. Die gibt es ja bis heute. Wer aber frei ist, wird die inhaltliche Auseinandersetzung nicht scheuen, wird alles, was sich ihm als attraktiv verspricht, prüfen und mag sich auch mit dem auseinandersetzen, was ihn erst einmal fremd ankommt. Kann es anschauen wie Jesus im Matthäusevangelium sagt: „Fürchtet Euch nicht vor denen, die die Seele nicht töten können." Haben wir dazu genug gesagt von den Dächern unserer Städte und Dörfer? Haben wir als Christen, als Evangelische Kirche da genug den Fokus drauf gelegt in diesem Jahr? Haben genug aufgefordert zur Diskussion und Information?

Da aber sind wir bei dem Impuls der Reformation, der uns am Ende die Freiheit erhalten wird - nämlich bei der Bildung des Menschen, jedes Menschen. Die Reformation war von Anfang an auch eine Bildungsbewegung. Und zwar eine, der es um mehr ging als um Schreiben, Lesen, Rechnen als Selbstzweck. Vielmehr ist dies alles die Voraussetzung dafür, sprachfähig zu werden in Bezug auf Fragen wie: In welchem Geist will ich leben? Wem will ich folgen und wem nicht? Wo finde ich Orientierung? Wer sich da eine Position erarbeiten will, mag sich in der globalisierten und individualisierten Welt von heute noch schwerer tun als vor 500 Jahren. Gerade von daher ist eine Fähigkeit dringend gefragt: Entscheidungsfähigkeit. Und zu seiner Entscheidung stehen, sie zu kommunizieren und mit anderen darüber in den Diskurs zu gehen, nicht zuletzt, um dabei zu Kompromissen zu kommen.

Ja, es ist auch unsere evangelische Frage, was Schulen leisten sollten und können und wie wir Kinder befähigen, Werte für sich abzuwägen, auf deren Basis sie ihr Leben führen. Dass wir ihnen dabei christliche Werte zum Nachdenken und Ausprobieren anbieten, liegt auf der Hand. Wir sind sehr froh, dass wir in diesem Jubiläumsjahr den Neubau der Grundschule forum thomanum einweihen konnten, wo Kinder auf der Basis eines musischen, sprachlichen und religiösen Profils lernen und vor allem leben. Machen wir uns da stark genug, als Christen, als Kirche, in diesen wirklich wichtigen Fragen für das, wie unsere Welt in den nächsten 30 bis 40 Jahren aussehen soll? Und müssten wir es daher nicht auch viel lauter von den Dächern schreien, wie viele Schulabgänger ohne Abschluss sich ein Land wie unseres leistet?

Denn: Was können freie und gebildete Menschen? Verantwortung übernehmen für sich und für andere. Luthers Credo war: „Gute Werke machen nicht den befreiten Menschen, sondern der befreite Mensch macht gute Werke..." Es ging den Reformatoren nicht nur um die richtige Reihenfolge von Freiheit und Tat, sondern um das Bewusstsein dafür, dass ich immer für mehr als nur für mich selbst verantwortlich bin. Und was anderes heißt das für heute, dass man sich nach seinen Möglichkeiten einbringt ins öffentliche Leben? Gerade das braucht unser uns heute zum Glück mögliches und errungenes demokratisches Zusammenleben. Dass wir es mitgestalten. Und dass unser Wille dazu so zu selbstverständlich wird, wie es für Luther die guten Taten aus dem Glauben heraus waren. Er war wie seine Mitstreiter natürlich weit weg von dem, was wir heute unter Demokratie verstehen - aber dieser Gedanke, dass Christenmenschen sich nicht scheuen, sich von sich selbst weg zum anderen hinzubewegen - das kann man als bis heute tragfähigen Impuls der Reformation verstehen.

Abschließend kann man sagen: Genau diese Bewegung finden wir auch in der Aussendungsrede Jesu an seine Jünger wieder. Geht auf sie zu, auf die Menschen. Und redet über die Themen, über die zu reden ist. Und zwar immer wieder über das Grundlegende des Glaubens wie Freiheit, Bildung, Verantwortung und anderes, streitet drum, tut es immer wieder auch durch Schmerz und Langeweile hindurch, ringt um Sprache - aber tut es. Haben wir es getan, genug in diesem Jahr?

Nun: Im reformatorischen Menschenbild, wenn man das mal so nennen will, geht es darum, Menschen als reif anzusehen, Entscheidungen treffen zu können, ohne große Angst vor Fehlern haben zu müssen. Denn positiv geht es in der Aufforderung zur Umkehr ja darum, unser Selbstbewusstsein stärken zu lassen: Ein neuer Anfang ist immer möglich, auch wenn es schief geht. „Denn es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird.", sagt Jesus. Gottseidank. Es ist Gottes Gnade, dass und wenn es gelingt. Und wir sind nicht dazu verurteilt, an unserem Gut-Sein-Wollen, Gut-Sein-Müssen immer wieder zu scheitern, an diesem elenden Kreisen um uns selbst, das uns letztlich nur zu einem bringt: zu hilflosen, atemlosen Entschuldigungen und Selbst-Rechtfertigen unserer hochfliegenden und bisweilen größenwahnsinnigen Pläne. Und darum müssen wir es auch nicht ängstlich verteidigen, sondern können tun, was wir als evangelische Kirche selbst an den Anfang gestellt haben, als wir das Jubiläum der Reformation in Zusammenhang mit den Thesen Luthers zum Ablasshandel gerückt haben: Dies alles offen und freimütig zu bekennen, also „Buße zu tun" als Voraussetzung für alles Weitere und dann neu anfangen und weitermachen im Jahr 2018. Glaube heißt: „Immer wieder mit dem Anfang anfangen", so hat es der wohl größte reformierte Theologe des 20. Jahrhunderts auf den Begriff gebracht, Karl Barth. „Immer wieder mit dem Anfang anfangen." Das ist ein gutes Diktum auch für Lutherische, gerade am 31. Oktober 2017.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche,taddiken@thomaskirche.org