Predigt im Kantatengottesdienst zu Epiphanias 2023

  • 06.01.2023 , Epiphanias
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Predigt im Kantatengottesdienst zu Epiphanias 2023,

mit Aufführung der Bachkantate BWV 248/VI,

St. Thomas zu Leipzig um 9.30 Uhr

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Nach diesen festlichen und fröhlichen Akkorden, liebe Epiphaniasgemeinde, leuchtet Weihnachten noch einmal besonders hell auf am heutigen Festtagsmorgen. Wir feiern Weihnachten, heute gemeinsam mit unseren orthodoxen Geschwistern. Krippe, Stern und all die schönen Melodien lassen uns den Arbeitsalltag des heutigen Morgens vergessen. Auszeit für Herz und Seele. Statt Schulbank, Kirchengestühl. Statt Pausenbrot – Hosianna und himmlisches Manna.

Vermögen es Worte und Töne durch den Alltagspanzer zu dringen jenseits der neunzig Minuten des Gottesdienstes?

„Tod, Teufel, Sünd und Hölle sind ganz und gar geschwächt…“

Eine zu schöne Vision, um wahr zu sein,

liebe Epiphaniasgemeinde.

Blickt man sich um, so sieht die Gegenwart doch eher anders aus. Totbringende Mächte erstarken. Diabolisches Handeln erschwert die Lebensgestaltung. Der höllische Abgrund aus Angst und Sorgen verschlingt mehr und mehr alles, was an hoffnungsvollem Aufbruch noch übrig ist.

Nicht nur der Weihnachtsbaum ist abgeschmückt.

Am Dreikönigstag, liebe Gemeinde, liegt es auf der Hand nach der Macht der Könige zu fragen. Moment. Gibt es sie überhaupt in unserem demokratischen Land? Die Monarchie ist seit vielen Jahrzehnten abgeschafft und dennoch herrschen kleine und große Könige.

Könige fühlen sich mächtig. Sie umgeben sich an ihrem Hof mit Ja-Sagern, die kein kritisches Wort mehr verlauten lassen. Sie brauchen die Huldigung als bestätigenden Beweis, dass alles richtig ist, wie es ist und sich nichts ändern soll. Wer Macht hat, muss sie behalten. Wer das infrage stellt, wird gefährlich. So haben die kleinen und großen Könige ständig Angst, Angst, ihre Macht zu verlieren. Das macht etwas mit einem Menschen. Denn es macht ihn misstrauisch und jedes kleine Zeichen wird plötzlich persönlich gedeutet. Niemand, liebe Gemeinde, ist davor gefeit, selbst zu solch einem kleinen oder großen König zu werden.

Als die Weisen Sternedeuter am Hofe von Herodes ankommen und nach dem neuen König fragen, greift Angst um sich. Sollte etwa jemand neben mir mehr Macht haben, mich sogar vom Thron stoßen?

Die kleinen und großen Könige handeln besonnen und listig. Herodes will sich mit den Weisen unterhalten, verstellt sich als er merkt, dass an der Geschichte etwas dran ist. Als ihm dann klar wird, dass alles nichts fruchtet, handelt er rechtswidrig, unmoralisch, grausam, ja greift kurze Zeit später sogar zum Äußersten, indem er die neugeborenen Kinder in Bethlehem ermorden lässt.

Was machen die kleinen oder großen Könige zu Hause, wenn ihre Macht und Autorität von kindlichem Vergnügen infrage gestellt wird?

Sie reagieren dann mit Arroganz und Härte, spielen ihre Stärke aus, weil das einfacher ist, als sich auf Diskussionen einzulassen.

Machtbesessene Könige schrecken vor nichts zurück. Daran hat sich im Laufe der Jahrhunderte wenig geändert. Nicht ohne Grund hebt Jesus in seinen Predigten darauf ab, dass, wer ins Reich Gottes kommen will, sich auf die Ebene eines kindlichen Vertrauens begeben muss. Kein Nachdenken, keine Gedanken an Befindlichkeiten, sondern einfach nur annehmen, was geschenkt wird. Das strahlt das Krippenkind schon aus und von diesem Glanz lassen sich seine Besucher ausleuchten.

Doch zurück zu den Königen.

Denn es gibt noch die Könige, die vor nichts zurückschrecken, um an die Macht zu kommen. Verleumdungen, Intrigen – wir kennen das aus den Märchen und Sagen oder

aus den Geschichtsbüchern. Wir kennen das aus sinnlosen Kleinkriegen um Ressourcen im einfachen Lebensalltag, wenn es nicht mehr um ein gemeinsames Ziel, sondern nur noch um persönliche Interessen geht. 

Diese Könige müssen gestürzt werden, weil sie niemand braucht in einer demokratischen Gesellschaft, weder zu Hause noch in Amtsstuben, Rathäusern, Palästen oder kirchlichen Institutionen. Die Könige, die Lebenschancen besonders von Kindern zunichtemachen, indem sie opportunistisch ihr Fähnlein nach dem ökonomischen oder politischen Wind drehen, dürfen keine Zukunft haben.

Allen kleinen und großen Königen auf dieser Welt sei es ins Herz geschrieben:

Ihr habt keine dauerhafte Macht und schon gar nicht habt ihr Macht über die Wahrheit.

Die Wahrheit Gottes, offenbart sich im Krippenkind. Sie wird alle Absichten ans Tageslicht bringen.

„Dein Herz, dein falsches Herz ist schon, nebst aller seiner List, des Höchsten Sohn, den du zu stürzen suchst, sehr wohl bekannt“ singt die Sopranstimme in der Epiphaniaskantate des Weihnachtsoratoriums.

Immer dann, wenn Unschuldige angegriffen werden, um eigene Macht zu sichern, und ich sehe das Krippenkind auch als ein Symbol für die Unschuldigen in dieser Welt, immer dann also

scheint der Stern als warnende Erinnerung –

deine Kraft,

dein Sein,

deine Macht

sind nur geliehen. „Nur ein Wink von seinen Händen stürzt ohnmächtger Menschen Macht.“

 

Wir sind angekommen, liebe Gemeinde. Angekommen mit den weisen Königen. Ihr Ziel ist die Krippe.

Und so steht auch in der Mitte der Kantate die geniale Choralstrophe „Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben. Ich komme, bring und schenke Dir, was Du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn; Herz, Seel und Mut, nimm alles hin und lass dir´s wohl gefallen.“

Dem adventlich unterwegs seienden Gläubigen wächst die Antwort auf die Frage „Wie soll ich dich empfangen?“ zu. Es ist jene weihnachtliche Beschreibung dessen, worauf es ankommt:

An der Krippe zu verweilen und dem Geschenk der Liebe Gottes mit eigener Hingabe zu entsprechen.

Nun könnte Schluss sein - ist es aber nicht. Denn wäre hier Schluss, würde die weihnachtliche Botschaft in zuckersüßer Watte verkleben. Aufbruch wäre dann fehl am Platze und heilsame Veränderung wäre dann nicht angesagt. Der holde Knabe im lockigen Haar würde den Wohlfühlzuckerspiegel so erhöhen, dass es unausweichlich wäre, den Notarzt zu rufen.

Es ist noch nicht Schluss, liebe Gemeinde, sondern erst Halbzeit. Nach der Choralstrophe folgen noch fünf Kantatensäte und das ist gut so. Denn hier wird der Aufbruch reflektiert.

Der Glaubensschatz wird in einem sich darauf einlassenden Herzen bewahrt. Daraus folgt eine unglaublich für den Alltag stark machende Gewissheit.

Du, Jesu, bist und bleibst mein Freund;

Und werd ich ängstlich zu dir flehn;

Herr hilf!

so lass mich Hilfe sehn.

Damit, liebe Epiphaniasgemeinde, erfüllt sich das, was im Namen Jesu verheißen wird. „Gott rettet“. Er rettet am Ende aus Gottesferne, Tod und dem, was uns höllische Schmerzen bereitet.

Mit der Rettung Gottes ist Aufbruch möglich; mehr noch: Aufbruch ist eine zwingende Folge dieses Rettungsgedankens.

6 Denn Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

Was kann es anderes bedeuten, als dass wir befähigt und ausgerüstet mit Gottes Energiequelle, seine Botschaft weitertragen und sei es bis ans Ende der bekannten Welt.

Jedes Jahr ist ein Aufbruch ins Ungewisse. Mit dieser Binsenweisheit möchte ich Sie, liebe Gemeinde, heute Morgen gar nicht langweilen. Dennoch steckt viel Wahrheit darin. Denn wir brechen auf, wie die Könige, als sie zurück in ihren Alltag gehen.

Wir brechen eigentlich täglich auf und wissen nicht, was uns erwartet. Warten wir darauf, dass uns jemand die Entscheidungen abnimmt? Oder nehmen wir sie anderen Menschen ab, indem wir zum Wegweiser werden? Die Weisen auf ihrem Weg nahmen einen Umweg und haben den Machtmenschen Herodes links liegen gelassen. Dadurch retteten sie das Leben des Jesuskindes und öffneten das Tor zur Zukunft für all diejenigen, die in ihrem Alltag angefochten sind.

 

Liebe Thomasser, liebe Schüler,

als junge Menschen auf dem Lebensweganfang möchte ich euch für selbigen eine Erfahrung mitgeben. Immer dann, wenn euch Macht begegnet oder ihr Macht ausgeliefert seid, hinterfragt.

Hinterfragt die Macht und hinterfragt Autoritäten, die autoritär daherkommen. Wer zum Beispiel sagen muss, „Ich bin ein König“, ist kein richtiger König.

Macht ist geliehen.

Geliehene Macht, sei es die von Lehrern oder Eltern, von Bürgermeistern, Ministerpräsidenten, Kanzlern oder Bischöfen ist immer Macht auf Abruf. Sie wird sich bewähren müssen im Spiegel der Liebe zu den anvertrauten Menschen.

 

Liebe Epiphaniasgemeinde,

Aufgabe der Weisen aus dem Morgenland war es, das Evangelium in die Welt zu tragen. Für jeden Weisen ein damals bekannter Kontinent – Asien, Afrika, Europa.

Matthäus will uns den Horizont weiten. Deshalb führt er diejenigen, die alles irdische Wissen und alle irdische Logik in sich vereinen können zum König der Könige. Er ist im Staube willkommen.

Damit wird die königliche Logik umgekehrt.

„Ehre sei Gott in der Höhe“ wird zum „Ehre sei Gott in der Tiefe“.
In der Tiefe menschlichen Lebens und menschlicher Abgründe von Hass und Gewalt entscheidet sich, ob der König der Könige genügend Macht besitzt, die Feinde nicht mit Gewalt, sondern mit dem liebenden Blick zu verscheuchen.

 

Epiphanias ist das Fest des hellen Scheins im Herzen

Wo es dunkel ist, liebe Gemeinde, muss ein Licht leuchten, sonst sehen wir nur Umrisse oder stolpern auf dem hindernissbeschwerten Weg.

Der helle Weihnachtsschein – das Christuslicht – will uns den Lebensweg ausleuchten. Also noch einmal:

 

„Nur ein Wink von seinen Händen
Stürzt ohnmächtger Menschen Macht.“

Umgekehrt funktioniert dieser Vers leider ebenso.

Wenn der König winkt, muss auch der Weltfußballer seinen Knicks machen bzw. den Mantel umhängen, der so ganz und gar nicht zu seiner Sportkleidung passt.

Dass, was dem Glaubenden selbstverständlich ist, nämlich einen liebenden und uns zugewandten Gott zu haben, ist in unserer Gesellschaft nicht mehr selbstverständlich.

Ein Körnchen Hass, vom Teufel gesät, vermag es,

sich im Herzen einzupflanzen und als unheilige Saat aufzugehen, wenn,

ja wenn die Abwehrkräfte nicht stark genug sind.

Erachtet es nicht als selbstverständlich, liebe Thomasser, liebe Schüler, liebe Gemeinde,

dass wir in Freiheit und in einer Demokratie leben.

Sie ist immer auch brüchig und gefährdet.

Und: sie ist anstrengend, viel anstrengender als hinterherzulaufen, ohne nachdenken zu müssen.

Wir haben die Aufgabe, sie zu schützen und für sie einzutreten. Deshalb wird Leipzig in gut drei Wochen hoffentlich ganz hell am 30. Januar für Demokratie auf dem so symbolträchtigen Ring leuchten. Und ich erwarte euch alle dort.

Den finsteren Mächten, den kleinen und großen Teufeln des Rechts- und Linksextremismus, schlicht, den Feinden der Demokratie, müssen wir heimleuchten, also ihre finsteren Machenschaften ans Licht bringen und ihnen dadurch ihr süßes Gift entziehen.

Der Widerschein des Christuslichtes in meinem Herzen, so wie es Paulus an die Korinther schreibt, leuchtet im Alltag dort, wo mich Hass und Menschenfeindlichkeit eben nicht kalt lassen.

 

Die heimkehrenden Weisen aus dem Morgenlande erkannten, dass ihre Weisheit an Grenzen kommt.

Sie wird begrenzt von der Liebe des kleinen, hilfebedürftigen Krippenkindes.

Ab einem gewissen Punkt im Leben, zählt nur noch die Liebe. Ist sie kraftvoll, wird Leben gelingen auch gegen Hass und Gewalt.

Erkaltet die Liebe, werden die lebensfeindlichen Kräfte erstarken.

Doch so weit muss es nicht kommen, nehmen wir die Botschaft des Epiphaniasfestes ernst:

Du hast eine Aufgabe, wandernder König am Rande der Krippe. Sie besteht darin, das Evangelium der Liebe zu bewahren. Zweifach sollst du es bewahren – ein deinem Herzen und in den Herzen der Menschen, an die dich Gott weist.

Dafür darf dir kein Weg und kein Umweg zu weit sein.

Amen.