Predigt im NachtEulenGottesdienst über Markus 14,3-9

  • 20.11.2022 , Ewigkeitssonntag
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Predigt im NachtEulenGottesdienst am 20.11.2022, St. Thomas zu Leipzig um 18 Uhr „sie hat ein gutes Werk getan“ Markus 14, 3-9

 

Gottes Barmherzigkeit sei mit Euch und ebenso sein Friede und seine Liebe. Amen.

Liebe Gemeinde,

am heutigen letzten Sonntag im Kirchenjahr, den wir auch als Ewigkeitssonntag feiern, denken wir zurück an Vergangenes. Wir denken an Menschen, die nicht mehr bei uns sind. Und plötzlich tauchen sie auf, die Bilder aus vergangener Zeit. Bilder mit dem Großvater oder der Großmutter; gemeinsame Wanderungen mit der Freundin, Gespräche am Tisch mit dem Lebenspartner. Wunderschöne Tage, Jahre oder Jahrzehnte in kostbarer Gemeinschaft malen ihre schon leicht verblassten Bilder in unsere Gedanken.

Es ist ein Wechselspiel von Freude über die gelebte Zeit und Traurigkeit über den Verlust.

Wir denken dabei auch an verpasste Chancen und Gelegenheiten. Darüber wird die Seele betrübt und fragt nach dem „Warum?“

Zeit lässt sich leider nicht zurückdrehen. Damit müssen wir leben lernen. Vielleicht wird uns dies heute besonders deutlich. – P – A – U – S – E -

 

Sie schenkte ihm ihre ganze Liebe - die Frau aus Bethanien in unserer Bibelgeschichte, so wie sie uns der Evangelist Markus erzählt.

Man mag es sich noch einmal vor Augen führen, wie kaum größer der Kontrast sein könnte. Auf der einen Seite sind hier die zarten Hände der Frau, die den Körper Jesu mit kostbarem Salböl im heutigen Wert von vielleicht 30.000 € salbt. Sie tut seinem Körper Gutes. Auf der anderen Seite, nämlich schon zwei Tage später, sind die rohen Hände, denen es Spaß macht, diesen Körper zu schlagen, ihn zu quälen und zu zerfetzen. Auf der einen Seite sehen wir die fürsorgliche Güte und auf der anderen Seite eine abgestumpfte Gewalt, die alles sinnlos werden lässt, was diese Frau kurz zuvor getan hat.

Das muss doch Entsetzen hervorrufen. Denn wir kennen ja den Ausgang der Geschichte. Wir wissen, darum, dass Jesus kurze Zeit später ans Kreuz geschlagen wird.

Welchen Nutzen soll das alles also haben?

Und auch die Jünger blicken mit ähnlichem Blick aber aus etwas anderer Perspektive. Sie schauen auf die Notwendigkeit einer praktischen Hilfe, indem sie die Armen ins Spiel bringen.

 

Sie schenke Jesus ihre ganze Liebe, weil sie für diesen einen Moment spürte, was jetzt dran ist.

Jener Mensch braucht jetzt meine Barmherzigkeit.

Er braucht jetzt die Zuwendung.

Er braucht mich. Sie beschenkt Jesus ohne Hintergedanken und bekommt von ihm etwas ebenso Wertvolles geschenkt – seine Gemeinschaft.

Die Frau aus Bethanien handelt nicht nach rationalen Maßstäben. Diese hätten ihr verboten, kostbares Salböl für ein ganzes Jahresgehalt auszugeben.

Sie handelt aus Liebe, die keine anderen Maßstäbe kennt als sich selbst.

Manchmal ist genau das nötig: Aus Liebe zu handeln und nur den Moment zählen zu lassen. Wer sich davon leiten lässt, wird immer auch auf Unverständnis bis hin zu harter Ablehnung stoßen.

Gerade weil es in unserer Welt immer diesen zerreißenden Kontrast von Helfen und Ohnmacht gibt, den Kontrast von Güte und Gewalt, ist es umso wichtiger, sich davon nicht abschrecken zu lassen.

Güte schenkt sich und fragt nicht nach dem unmittelbaren Nutzen. Die Erzählung von der Salbung in Bethanien gibt uns mit auf den Weg, dass es sich immer lohnt, sich mit allem, was man hat, dem hinzugeben, was man liebt, selbst auf die Gefahr hin, dass es beseitigt werden wird.

Dem erbarmungslosen Zugriff der Gewalt wird die barmherzige Güte als liebende Geste der Zuwendung entgegengesetzt. Mögen sich darüber Viele aufregen, mögen sie lachen oder spotten.

Jesus Christus verteidigt die Liebe. Er verteidigt sie mit seinem eigenen Leben, um unser Leben nicht auf immer dem Tod zu überlassen. Der Ostermorgen mit seinem lebensweckendem Auferstehungslicht, rechtfertigt nicht nur das Tun der Frau aus Bethanien. Er rechtfertigt auch Jesu Einstehen für die Liebe.

Wir leben unter den Bedingungen der Vergänglichkeit und der verpassten Chancen. Sie machen uns den Alltag oft schwer genug. Aber gerade weil das so ist, sind die besonderen Momente einer verschwenderischen Güte das Heilmittel gegen alles, was Beziehungen zerstören und Bindungen vernichten will. – P – A – U – S – E -

Wir wissen nicht, was der nächste Tag bringt, liebe Gemeinde, und wir wissen nicht, wie lange zu leben uns zugedacht ist. Das mag je nach eigenem Lebensalter mal mehr oder weniger beschweren.

Es gibt manchmal besondere Momente, in denen man anders handeln muss als in sonst gewohnter Weise. Jesus ermutigt uns in der kleinen Erzählung aus dem Markusevangelium dem Impuls der liebenden Zuwendung zu folgen.

Ich wünsche uns allen, dass uns jemand einfällt, dem wir schon immer etwas Gutes tun wollten, es aber bisher immer vor uns hergeschoben haben, aus welchen Gründen auch immer. Und ich hoffe, dass wir uns auf den Weg machen werden. Amen.

Pfarrer Martin Hundertmark

hundertmark@thomaskirche.org