Predigt über 1. Korinther 2,1-10

  • 16.01.2022 , 2. Sonntag nach Epiphanias
  • Pfarrerin Britta Taddiken

Predigt über 1. Korinther 2,1-10 am 2. Sonntag nach Epiphanias, 16. Januar 2022

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

was für eine großartige Geschichte ist diese Hochzeit zu Kana! Nach dem Johannesevangelium stellt Jesus damit  sozusagen sein Programm vor. Ein fulminantes erstes Zeichen! Das also ist zu erwarten, wenn er auf der Bildfläche erscheint: Jesus ist der „Freudenmeister“. Wo er erscheint, kommt die Festseite unseres Lebens zum Vorschein. Wo er erscheint, werden all unsere menschlichen Erwartungen übertroffen, so wie der Speisemeister von der Qualität des Weins überwältigt ist. Das ist das „Programm“. Die Hochzeit, das ist ein sehr vielfältiges Bild – und eine Seite davon ist, dass er mitten in unsere Lebensbezüge eintritt, sich mit uns verknüpft, sich untrennbar mit uns verbindet. Wie schon seiner der Geburt ist damit gesagt, wo wir ihn suchen und erwarten dürfen: in der Tiefe. Tiefe so oder so verstanden: unsere Sterblichkeit und Niedrigkeit unserer Existenz. Aber auch in der Tiefe aller Dinge und aller Beziehungen. „Gieß sehr tief in das Herz hinein, du leuchtend Kleinod, edler Stein, mir deiner Liebe Flamme“, so haben wir ganz das jetzt ganz oft gesungen in der Epiphaniaszeit. Und heute geht es an diesem Punkt weiter. Gott kommt in die Tiefen unseres Lebens bevor wir dann in der Passionszeit bedenken oder beleuchten, dass er auch in die Tiefe unseres Leidens eingeht.

In der Tiefe also können wir ihn suchen und finden. Hier leuchtet er hinein, gibt oder gießt sich hinein wie das Wasser in die Krüge von Kana. Auch in uns, in die zerbrechlichen Krüge unserer Körper und Seelen und unseres scharfen und wachen, aber zugleich auch beschränkten Verstandes. Und da kann sich dann etwas verwandeln – wie Jesus es zeichenhaft zeigt an Menschen, deren Leben sich in wunderbarer Weise verändert: Wenn Lahme springen, Taube hören und Außenstehende wieder ins Leben zurückfinden.

Ihn hier, in der Tiefe zu finden, darauf führt auch unser Predigttext hin aus dem 1. Korintherbrief. Da spricht Paulus von einer Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist. Und dass es der Geist Gottes selbst ist, der uns eine Ahnung davon offenbart. Etwas, was menschliche Weisheit so nicht erkennen wird, weil sie ganz anderen Regeln folgt.

Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. 2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten. 3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; 4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, 5 auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. 6 Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. 7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, 8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. 9 Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« 10 Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.

Paulus grenzt sich ab von denen in Korinth, die Gott mit Mitteln menschlicher Weisheit und Einsicht erklären wollen und dabei Form und Inhalt ihrer Verkündigung in ein fragwürdiges Licht rücken: dass nämlich der, der einen großartigen Gott verkündigt, selber großartig sein muss in dem, wie er aussieht, wie er redet und was er sonst noch so vorzuweisen hat. Aber wie viele Texte mit abgrenzender Absicht mag auch dieser in uns erst mal etwas Gegenwehr auslösen. Denn man kann sich natürlich auch mit seiner Demut profilieren und sich sozusagen „exterritorial“ bewegen in bezug auf die Kriterien, nach denen man etwas als Sinn oder Unsinn beurteilt. Aber ich denke, ihm kommt es hier vielmehr auf etwas an, was durchaus auch Übereinstimmung in Form und Inhalt aufweist: Nur wer zu seiner Niedrigkeit steht, kann auch glaubwürdig einen Gott verkünden, der in sich in die Tiefe dieser Niedrigkeit hineinbegeben hat. Der sich ihr verbündet hat auf Leben – und Tod.

Das ist manchen Weisen dieser Welt natürlich eine Torheit. Denn unsere Vorstellungen von Gott sind und bleiben immer auch anders, auch unter Christen. Dass wir uns Gott eben nicht von der Tiefe her nähern, sondern in die Höhe streben, auch gedanklich. Dass wir immer erst mal von seiner Allmacht her denken wollen. Was hat menschliche Bauernschläue sich da nicht alles schon erdacht, um diese Allmacht entweder zu beweisen oder zu dekonstruieren. Entschuldigung an die Landwirte - das mit der Bauernschläue, ich weiß auch nicht, wieso das so heißt, was da sehr verbreitet ist auch unter Nicht-Bauern, ob nun gläubig oder atheistisch… Zum Beispiel geschieht das durch Gedankenspiele wie diese, die ganze theologische Lehrbücher aller Zeiten gefüllt haben und in Konfi-Stunden immer noch Stoff für den Diskurs abgeben, wenn wir uns über die Zeile des Glaubenbekenntnis unterhalten „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen : Kann Gott einen Stein erschaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht mehr tragen kann? Die Frage ist gut. Von weisen Menschen erfunden. Die Frage ist sogar so gut, dass sie Gott keinen Spielraum mehr lässt, um sie zu beantworten. Denn wenn er einen solchen Stein nicht erschaffen kann, weil er alle Steine tragen kann, egal wie schwer, dann ist er deshalb nicht allmächtig. Er kann einen solchen untragbaren Stein ja nicht erschaffen. Und das, obwohl wir ihn doch den Schöpfer aller Dinge nennen. Wenn er aber einen solchen, für ihn zu schweren Stein doch erschaffen kann, dann kann er ihn hinterher nicht tragen. Und dann ist er auch nicht allmächtig. Damit wäre bewiesen, Gott ist nicht allmächtig!

Die Argumentation klingt weise und klug, sie klingt für Gottes Macht nicht günstig, ist aber am Ende nur ein Taschenspielertrick, der nur eins beweist: Derjenige, der solche Fragen stellt, kann auch schon die gewünschte Antwort vorgeben. Letztlich ist es genau das, was passiert, wenn Menschen sich nur noch in ihren Blasen aufhalten, sich in ihren Phantasien versteigen und dort für sich Sicherheit suchen. Unsere Weisheit und Logik reichen sehr weit, Gottseidank und wir brauchen sie auch, um uns dem Tiefsten zu nähern. Aber sie sind eben begrenzt und menschlich und reichen deshalb nicht aus, um die Tiefe Gottes zu ergründen. Und darum geht es in Geschichten wie der von der Hochzeit zu Kana und darum geht es Paulus hier, um diesen einen Punkt: Der in Jesus Mensch gewordene Gott will nicht nur einmal von links nach rechts über die Weltbühne gehen oder gute 30 Jahre auf ihr leben, sondern beansprucht, dass das Licht, das in die Atmosphäre der Welt eintritt, ihr selbst einen neuen Schein gibt. Und das ist keine Absage an unsere menschliche Klugheit, an unseren Verstand, sondern eher die Aufforderung, selbigen zu erweitern im Zusammenspiel mit dem, was wir vielleicht eher mit dem Herzen begreifen. Oder um es mit dem Bild der Krüge von Kana zu sagen: Sich immer wieder neu füllen zu lassen von ihm. Und dafür vorher auszukippen, was sich da so angefüllt hat mit Abgestandenem und allem möglichen, was uns so sauer macht, bitter, oder ja, auch stinkig. Oder auch, dass wir zu Menschen werden, die den guten Wein nicht nur im Keller einlagern, sich aber dauerhaft das Vergnügen des Genusses untersagen. Die vielleicht nur das nüchterne Wasser trinken, das auch die hoch effizienten Systeme der Erwirtschaftung von Kapital antreibt, der zügig und oft zynischen Rationalisierung von Produktionsabläufen, Systemen und Biographien, die für Absichtslosigkeit, Spiel und Verlangsamung ebenso wenig Raum lässt wie für Erwägungen, wohin das Ganze denn nun eigentlich führt, wer davon etwas hat und wer darin auf der Strecke bleibt. Die Geschwindigkeit dieser Veränderungsprozesse ist ebenso beängstigend wie die Verdrängung der Orientierungswissenschaften aus der Domäne der Handlungswissenschaften. Und wie die Verdrängung der Kultur als Lebenselixier, das wir Menschen eben auch brauchen, dringend. Anders ist es ja nicht erklärbar, warum immer wieder die Kultur mit als erste auf der Strecke bleibt bei den Corona-Maßnahmen. Das ist ein Skandal, den wir viel zu sehr hinnehmen und für den wir wahrscheinlich noch einen sehr hohen Preis zahlen werden, da bin ich leider sehr pessimistisch. Wir brauchen eben nicht nur Supermärkte und Gartencenter, sondern wir brauchen Konzertsäle und Bühnen aller Art. Denn in den Zwischenräumen von Musik und Literatur, Theater und Spiel, in der Interaktion von Künstlern und Publikum - da passiert so viel, was sich mit menschlicher Weisheit nicht erfassen lässt, sondern nur mit Intuition und Platz für Tiefe. Man kann natürlich fragen: War das wirklich nur Wasser in Kana oder war alles nur dem Umstand geschuldet, dass Menschen, die schon eine Menge Wein getrunken haben, irgendwann halt alles für Wein halten, was man ihnen vorsetzt? Man kann so fragen und es stimmt ja auch. Aber nur damit werden wir vom Geheimnis Gottes nichts erfahren.

Und noch eins ist dabei nach Paulus wichtig: Die Weisheit Gottes ist nicht dort in Gefahr, wo sich Schwachheit und Furcht und Zittern zeigen, sondern gerade dort, wo sie unsichtbar gemacht werden. Der gekreuzigte Gott, von dem Paulus spricht, ist darin stark, dass er sich an unsere menschliche Schwachheit bindet. Er hält den Raum offen auch für alle, die nicht erfolgreich sind, die sich schwer anpassen können an wachsende Anforderungen und von Ängsten bestimmt sind. Sie sind in die Hände des Gottes gezeichnet, der am Kreuz stirbt, um für sie von den Toten aufzuerstehen. Es gibt wohl Zeiten der Verdunkelung des Geistes und des Wissens und der damit einhergehenden Verunsicherung, wie wir das gerade in diesen fast zwei Jahren Pandemie erleben. Es ist schwer, sich zu besinnen, sich zu orientieren und für manche auch, sich nicht den Kopf verdrehen zu lassen. Aber gerade da ist es wichtig, auf Paulus zu hören und sich Geschichten wie die von Kana weiterzuerzählen. Damit wir im Gedächtnis behalten: Hinter allem, was wir in diesem Moment wahrnehmen, gibt es immer noch eine Wirklichkeit, die weiter ist als das, was wir wahrnehmen. Jene Wirklichkeit, die Gott meint und schafft.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org