Predigt über Epheser 2, 4-10

  • 15.08.2021 , 11. Sonntag nach Trinitatis
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Früher war alles schlechter! Ja, sie haben richtig gehört – früher war alles schlechter!

Der Briefschreiber des Epheserbriefes fängt mit dieser Feststellung sein 2. Kapitel an.

Sein Anfang setzt einen Kontrapunkt zum doch sehr häufig gehörten Lamento der Gegenwart „Früher war alles besser.“ Nein, war es nicht. Denn früher, so der Briefschreiber, waren wir tot! Wie wird das wohl begründet sein, liebe Gemeinde? Schauen wir zunächst auf die Verse vor unserem heutigen Predigttext.

Ich lese uns zunächst die ersten drei Verse aus Epheser 2:

1 Auch ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden, 2 in denen ihr früher gewandelt seid nach der Art dieser Welt, unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams. 3 Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt in den Begierden unsres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft und waren Kinder des Zorns von Natur wie auch die andern.

Das Heute lässt sich nicht ohne das Früher verstehen, liebe Gemeinde. Selbst auf die Gefahr hin, dass diese ersten Verse rein moral-ethisch gehört werden. Um es ganz klar zu sagen: Hier geht es nicht um einen frühen klösterlichen Weg der Askese und Enthaltsamkeit. Sondern es geht um eine Beschreibung dessen, was sich der Mensch zum Mittelpunkt und Ziel gesetzt hat. Dabei ist entscheidend, wovon er sich leiten lässt. Sind es ausschließlich die körperlichen Bedürfnisse? Hat er ein Ziel? Von welcher Macht lässt er sich beeinflussen?
Nun mag man einwenden, dass zwischen dem Ende des 1. Jahrhunderts als der Epheserbrief entstanden ist und dem Jahre 2021 eine sehr große Zeitspanne liegt, dass die Probleme von damals mit denen von heute nichts zu tun haben. Das stimmt insofern, wenn man davon ausgeht, dass hier zunächst Menschen angesprochen werden, die hauptsächlich als Erwachsene zum Glauben gekommen sind und sich auch als solche haben taufen lassen. Es gab demnach ein „Vorher“ in ihrem christlichen Leben.
Auf der anderen Seite jedoch sehe ich in diesen Versen eine vortreffliche Beschreibung dessen, was uns tagtäglich beeinflusst und in tote Strukturen bringt. Die um uns schwirrenden Geister oder vielmehr Ungeister aus Hass und Neid haben eine sehr starke Anziehungskraft. Sie wollen uns einreden: Dir geht es schlecht, weil es anderen gut geht. Tue dir also selber gutes, erlöse dich und deinen Körper, indem du ihm ausschließlich dienst. Du bist dein eigener Gott.
Das kann nur in den Tod führen, liebe Gemeinde.
Denn, wo das Ziel fehlt, fehlt auch die Hoffnung. Und wo die Hoffnung fehlt, steht am Ende ein leeres Nichts. Nun aber wird es Zeit für den christlichen Einspruch, der, wie sollte es anders sein mit einem „ABER“ beginnt.

4 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, 5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr gerettet –; 6 und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus, 7 damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus. 8 Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, 9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. 10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.

Alles ist gut – denn für uns ist bestens gesorgt

Ganz anders klingt das, liebe Gemeinde, als die oft gehörte Jammerei des „Früher war alles besser“, die doch letztlich nur ein Ausdruck mangelnder Fähigkeit ist, mit eigener Verantwortung umzugehen. Für uns ist, theologisch gesprochen, bestens gesorgt und zwar deshalb, weil Gott selber unsere Erlösung in die Hand genommen hat. Aus lebensfeindlichem Sumpf und tödlichen Verstrickungen werden wir nicht alleine herauskommen. Es braucht den Helfer bzw. den Vermittler.
Und nun wird es grandios, ja fasst pompös, weil der Briefschreiber in fast barocken Farben uns vor Augen malt, wie es weiter geht. Denn die reichliche Barmherzigkeit, die übergroße Liebe Gottes und der überschwängliche Reichtum seiner Gnade, entwickeln genau jene Kraft, die uns leben lässt.
Dabei beschreiten wir einen Weg. Es der Weg der Taufe, so wie ihn Paulus im 6. Kapitel des Römerbriefes mit etwas sperrigen Worten darlegt. Ich versuche einmal seine Gedanken neu zu formulieren. Im Wasser der Taufe geht der alte Mensch unter oder anders ausgedrückt: Im Wasser der Taufe wird all das abgewaschen, was uns von Gott trennt. Aus dem Wasser der Taufe kriecht der neue Mensch, der in und mit Christus lebt, hervor. Somit haben wir Anteil am Leben Christi im Himmel. Wir haben diesen Anteil schon jetzt.
Der Himmel ist keine Vertröstung für Arme und Ausgebeutete. Er ist vielmehr Ausdruck der Gemeinschaft jedes Einzelnen mit Jesus Christus. Und die Taufe ist das Siegel jener Gemeinschaft.
Und das wird uns alles geschenkt?
Ja. So ist es. So wunderbar ist es, dass Zweifel aufkommen mögen. Warum tut das Gott? Warum muss ich nichts dazu tun? Wieso spielt mein Tun gar keine Rolle mehr?

Nicht ganz, liebe Gemeinde. Doch dazu etwas später mehr.

Gott geht schon immer auf seine Menschen zu. Er tut das aus Liebe. So sorgt er für uns, damit uns ein Teil der Sorge, nämlich die Frage: Was wird aus mir und meinem Leben? Genommen ist. Es wird gut, weil es schon gut ist – liebes Menschenkind. Dafür habe ich durch meinen Sohn Jesus Christus gesorgt. Gott schenkt jedoch nicht nur seine Liebe, sondern seine Gnade ermöglicht den Neuanfang.

Im Evangelium des heutigen Sonntages vom Pharisäer und Zöllner wird uns dieser Neuanfang vor Augen geführt. Wer Fehler einsieht, diese zutiefst bereut, dessen Herz ist bereit, neu beginnen zu können. Christus nimmt solchen Herzen die Last der Vergangenheit, indem er sie von quälender Schuld befreit. Das fordert heraus und nicht selten überfordert es die Beobachter, die immer meinen alles richtig gemacht zu haben in ihrem Leben.
Geschenkte Gnade und Liebe Gottes stehen auf der einen Seite. Ihnen entsprechen unser Glaube an und unser Vertrauen auf Christus.
Mit Übereifriger Askese, mit Geld oder Arbeit lässt Gott nicht beeindrucken. Unsere Verdienste dienen allein dem Mitmenschen. Gottes Liebe lässt sich nicht verdienen.

Liebe Gemeinde,

den Himmel können wir uns nicht erkaufen, weil uns dazu die Währung fehlt. Das Gute daran ist: Wir müssen ihn uns auch nicht erkaufen. Denn er ist uns in Christus geschenkt. Als seine Mitbürger und Hausgenossen, um mit den Worten des Briefschreibers zu reden, sind wir begnadete Täter der Liebe Gottes im Alltag.

Geschaffen zu guten Taten

Was für eine Perspektive, liebe Gemeinde.

Wir sind zu guten Werken geschaffen. Und zwar zu solchen, die Gott schon längst vorbereitet hat. Also gilt es, sie zu entdecken.

Also gilt es, seine Schätze zu heben und nutzbar zu machen im eigenen Alltag für den Nächsten.

Der heutige Predigttext aus dem Epheserbrief lädt uns ein, mit anderen Augen auf die Gegenwart zu schauen. Dieser Blickwechsel will das Gute entdecken und daraus leben. Dass Alltag und Welt nicht perfekt sind, wird uns tagtäglich gespiegelt. Brennende Wälder, Überhitzung der Erde, Plastik vermüllte Meere oder Impfignoranz werden nicht durch die Gnade Gottes beseitigt. Dafür braucht es schon unser Tun und Wirken.

Dafür braucht es den Gestaltungswillen, der sich aus Gottes geschenkter Kraft speist.

Und dort, wo es hoffnungslos scheint, dürfen wir uns unserer Hoffnung vergewissern.

Wir können diese aus der Zusage Gottes ziehen, dass er uns zutraut, gute Werke zu vollbringen.

Amen.