Predigt über Jesaja 60,1-6

  • 06.01.2021 , Epiphanias
  • Prädikantin Dr. Almuth Märker

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen

„Tochter Zion, freue dich!“, so sangen wir es im Advent. „Tochter Zion, freue dich! Jauchze laut, Jerusalem!“ Inzwischen ist der Advent um, haben sich die Verheißungen erfüllt, ist Jesus geboren. Aber da fehlt noch was. Es fehlen die Weisen aus dem Morgenland, die mit ihren Gaben vor dem Herrscher der Welt, der in Windeln gewickelt ist und in einer Krippe liegt, niederknien. Und es fehlte noch, dass wir Epiphanias feiern (!).

Die Tochter Zion. Wer ist das? Das Alte Testament, darunter die Bücher des Propheten Jesaja zeichnen uns das Bild einer Frau, die die ganze Bandbreite von Frauen nur möglichen leidvollen Erfahrungen hat machen müssen. Sie ist dort Mutter, die ihre Kinder verloren hat und die darüber vor Gram und Schmerz ihre Kleider zerreißt und ihr Leid zum Himmel schreit. Sie ist eine Frau, die vergewaltigt wurde, eine Geliebte, die ihr Ansehen verlor. In diesen Texten ist sie umgekehrt aber auch die Frau, die ihre Ehe bricht. Wiederfahrenes und ausgeübtes Unrecht – das macht die Tochter Zion aus. In einer Sprache von rasselnder Gewalt heißt es da bei Jesaja über sie:

„Deine Peiniger sprachen zu dir: 'Wirf dich nieder, dass wir über dich hinweg gehen.' Und du machtest deinen Rücken dem Erdboden gleich wie eine Gasse, dass man über dich hinweg laufe.“ (Jes. 51, 23)

und später: „Mach dich los von den Fesseln deines Halses, du gefangene Tochter Zions!“ (Jes. 52, 2)

Eine Frau, die nach erfahrener Gewalt im Dunkel der Hoffnungslosigkeit sitzt. Das ist die Tochter Zion.

Und wie ein Lichtstrahl, der durch eine geöffnete Kerkertür dringt, trifft die Tochter Zion unser Predigttext. Er steht beim Propheten Jesaja im 60. Kapitel (Verse 1-6):

„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir! 2Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. 3Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.

4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt, kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arm hergetragen werden. 5 Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. 6Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen.“

Der Herr segne an uns sein Wort.

„Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“ - Eine lichtvollere Sprache als diese, eine hellere Verheißung als diese kann ich Dir, liebe Gemeinde, an diesem Epiphaniastag nicht bieten. Wie von Goldfäden durchzogen, wie mit glitzernden Schneekristallen betupft, setzt unser Predigttext Lichtpunkte: „werde licht“, „dein Licht kommt“, „die Herrlichkeit des Herrn“ und ein paar Verse später: „zu deinem Licht“, „zu deinem Glanz“, „vor Freude strahlen“. Diesen Text, diese Lichtpunkte legt Gott der Tochter Zion vor die Füße, macht Gott den Menschen, die nach erfahrener Gewalt im Dunkel der Hoffnungslosigkeit sitzen, zum Geschenk. Wie tief dieses Dunkel war und wie stark die Depression wirkte, wird deutlich, wenn ich mich von der Dynamik des Textes mitreißen lasse. Der Ruf, mit dem dem Gestern ein Ende gesetzt wird und mit dem das Morgen beginnt, ertönt gleich einem Weckruf: „Mache dich auf!“ Los, steh auf. Schüttele alles Vergangene ab. Auf geht’s. Und immer wieder die Herrlichkeit, das Licht, der Glanz des Herrn: über dir gehen sie auf, über dir erscheinen sie, auf gehen sie über dir. Das ist Bewegung nach oben, das ist Ermutigung und Befähigung, das ist lichtvolles Empowerment. Nicht ohne die Erinnerung an Finsternis und Dunkel, die Erdreich und Völker bedecken. Aber immer voran und lichtwärts.

Die entrechtete Frau, die alle Hoffnung verloren hat, Zion, – sie wird zur Braut des Herrn, ganz und gar Schmuck (Kosmos im Gegensatz zum Chaos) und mit lichtvoller Zuversicht.

Und wie in einem happy end treten ihre verloren geglaubten Kinder auf: ihre Söhne kommen von weit her, ihre kleinen Töchter werden von Frauen auf dem Arm herbeigetragen. Die Tochter Zion, sie kann nicht anders: Sie strahlt vor Freude, ja sie zittert vor Freude („dein Herz wird beben“), alles Vergangene, alles Schlimme fällt in einem großen Ausatmen („dein Herz wird weit werden“) von ihr ab. Sie ist befreit. Sie ist frei.

Ein happy end. Aber dieses happy ending ist erst der Anfang. Es ist, liebe Gemeinde, ein happy beginnnig. „Mache Dich auf!“ - Willst Du das sein, liebe Gemeinde, so Tochter Zion?

Das Epiphaniasfest ist ja zugleich das Fest der Hl. drei Könige. Und iauch ich habe noch ein kleines Geschenk für Sie: Der Predigttext erwähnt an seinem Ende „Gold und Weihrauch“. „Sie werden aus Saba alle kommen“ heißt es da, und gemeint sind die, die aus südlicher Richtung kommen. Es gibt eine gleichlautende Bachkantate zum Epiphaniasfest (BWV 65), die ich Ihnen am Nachmittag zu hören nur ans Herz legen kann. Diese Kantate bindet die beiden heute gelesenen Bibeltexte Mt. 2 (die Weisen aus dem Morgenlande und ihre Gaben) und Jes. 60 (die lichtvolle Verheißung an Zion) zusammen.

Die Kantate lenkt unsern Blick noch einmal an die Krippe und stellt die Frage:
„Was aber bring ich wohl, du Himmelskönig?“
Sie antwortet: „Mein Herz, das ich in Demut zu Dir bringe.“ und führt aus: „Des Glaubens Gold, der Weihrauch des Gebets, die Myrrhen der Geduld sind meine Gaben.“
So können wir selbst zu Weisen werden, die an die Krippe treten.

„Mache dich auf! Werde licht!“

Das weiße Leuchten der Erscheinung des Herrn. Es macht unser Leben heller. Und leichter. Ziehen wir doch dieses Licht an wie einen Umhang. Und gehen damit hinaus vor die Tür und in die Welt!

Wie ein weißer Mantel, der sich absetzt vom Schwarz, Anthrazit, Dunkel- und Steingrau da draußen. Ein Hingucker und ein Hinfühler. Ein Abglanz der Freude darüber, dass uns der Herr erschienen ist. Der Herr unser Gott – er ist da. Hier und jetzt. Werfen Sie sich diesen Mantel über und gehen Sie los. Und bitte nicht schonen! Nichts ist tötlicher als eine weiße Weste. Strapazieren wir unsern lichten Umhang, tragen wir ihn bei jeder Gelegenheit, so dass er mit der Zeit einen abgewetzten Saum, einen speckigen Kragen und schmuddelige Aufschläge bekommt. Gott will, dass wir leuchten. Er wird Gelegenheiten zur Genüge finden, dass unsere Kleider wieder strahlend wie der helle Morgen werden. Gott will, dass wir leuchten. Wir!, die wir in einer Viertelstunde hinausgehen auf den Thomaskirchhof.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und unser Beginnen in Christo Jesu. Amen.

Prädikantin Dr. Almuth Märker

almuth.maerker@web.de