Predigt über Joh 2, 1-11 und BWV 155 „Mein Gott, wie lang ach lange“

  • 14.01.2024 , 2. Sonntag nach Epiphanias
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Predigt über Joh 2, 1-11 und BWV 155 „Mein Gott, wie lang ach lange“

am 2. So p. Epiphaniam, St. Thomas zu Leipzig um 9.30 Uhr und 18 Uhr

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Grauer Himmel. Kaum Sonne. Regen peitscht ins Gesicht. Am Nachmittag wurde der Weihnachtsbaum entsorgt. Räuchermännchen und Schwippbogen liegen wieder fein verpackt im großen Karton und warten im Keller auf die nächste Saison.

Januarblues breitet sich aus, liebe Gemeinde.

 

„Mein Gott, wie lang, ach lange?
Des Jammers ist zuviel,
Ich sehe gar kein Ziel
Der Schmerzen und der Sorgen!“

 

So hörten wir die Sopranstimme zu Beginn der gleichnamigen Kantate von J. S. Bach singen.

Gott möge eingreifen und tut es doch nicht.

Des Jammers ist zu viel. Als ob der Januarblues nicht genug Tristesse böte, gesellt sich noch der Schrecken angesichts rechtsradikaler Geheimtreffen mit Umsturzphantasien und menschenverachtenden Zukunftsplänen hinzu. Des Jammers ist zu viel angesichts auseinandertriftender Interessen in unserer Gesellschaft und angesichts getrübter Wahlaussichten für menschenfreundliche Gesellschaftsentwürfe.

Zukunftssorgen umwölken den Alltag und können sich in Schmerzen Ausdruck verschaffen. Mancher Zeitgenosse leidet auch körperlich am Zustand unserer Gesellschaft.

 

Schwenken wir zur Szene aus dem Johannesevangelium. Die Party ist gecrasht, weil es nichts mehr zu trinken gibt. Kein Student, der nachts um zehn noch zwei Kisten Weinflaschen gewissermaßen als Post in den vierten Stock bringt, weil ich vergessen habe, rechtzeitig vorzusorgen.

Wie lang, ach lange willst Du noch warten, interveniert Jesu Mutter Maria. Die Party droht peinlich zu werden. Maria vertraut auf ihren Sohn und traut ihm alles zu, so wie das Mütter halt machen. Sie glaubt seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten und weiß im Innersten, dass er auch in auswegloser Situation helfen kann. „Halt die Klappe, Weib! Ist eine schroffe Antwort des Sohnes auf die Intervention der Mutter.

Von liebevoller Beziehung ist hier wenig zu finden.

Jesus muss so schroff sein, weil damit deutlich werden soll, dass nur er allein den Zeitpunkt seines Handelns bestimmt. Noch nicht einmal die engsten verwandtschaftlichen Beziehungen können und werden das ändern. Jesus lässt sich nicht drängen. So verständlich menschliches Ansinnen ist, Gott darauf aufmerksam zu machen, doch bitte schön jetzt sofort meine eigene Traurigkeit zu verwandeln, gäbe er dem nach, würde Gott zum Spielball menschlicher Interessen werden. Also bleibt nur der Jammer?

Also bleibt alles trist im Januar nach dem Fest?

„Du musst glauben, du musst hoffen,
Du musst gottgelassen sein!
Jesus weiß die rechten Stunden,
Dich mit Hilfe zu erfreun.“

Im Duett von Alt- und Tenorstimme, untermalt von lebendigen Fagotttönen, wird uns musikalisch sanft und seelsorgerlich die Herzenstür geöffnet für einen anderen Weg. Wir werden mitgenommen auf den Weg der gottgelassenen Geduld.

Ich weiß, liebe Gemeinde, das sagt sich immer einfacher und auch die schöne Musik macht es nicht besser: Gegen das Gefühl, von Gott verlassen zu sein, ist nur schwer anzukommen. Deshalb hier die sanften Töne. Sie nehmen das Gefühl auf und lassen es durch die bestimmten Worte an Kraft verlieren. Manchmal ist der Imperativ sinnvoll, weil er uns daran erinnert, was jetzt zu tun ist – glauben, hoffen, gottgelassen sein.

 

Im weiteren Verlauf der Kantate wird uns eigentlich eine Binsenweisheit musikalisch mit auf den Sonntagsweg gegeben. Nach Regen folgt Sonnenschein. Auf die Finsternis folgt das Licht. Auch hier wissen wir eigentlich bescheid. Nur: bin ich direkt und ganz existentiell betroffen von Finsternis oder Alltagssturmgewitter, scheint das Licht in ganz weiter Ferne. Erinnerungen an gottbegleitendes Handeln vermögen den Menschen da herauszumanövrieren.

Was offensichtlich scheint und Macht gewinnt, ist nicht für ewig. Damit wird der Weihnachtsbogen gespannt in den Alltag voller Mangel, den es ja gibt. Tränen verwandeln sich in Freude und Bitternis in honigsüße Seelennahrung. Christ der Retter ist da, auch wenn du ihn gerade im Moment nicht spürst.

 

Der Evangelist Johannes erzählt unsere Geschichte ähnlich und doch ein klein wenig anders.

Gegen die triste Januarstimmung, liebe Gemeinde, wenn der letzte Engel vom Christbaum abgeschmückt, und, sofern man kein Faschingsmensch ist, erst wieder der Frühling fröhliche Stimmung bringt, sendet uns der Evangelist Johannes seine Botschaft. Lasst Euch nicht runterziehen von dem, was schwere Gedanken macht durch äußere Umstände. Zukunftsangst kann sich auflösen in einem großen Steinkrug voller Wasser. Christ der Retter ist da.

 

Wenn die Zeit gekommen ist, dann darf gehandelt werden mit aller Macht und Kraft. So wie sich Jesus selber ganz schenkt, später am Ende des Evangeliums, schenkt er der Hochzeitsgesellschaft die Freude vollkommen und ganz in wundersamen Rausch. Etwas verlegen werden Braut und Bräutigam sich bei ihrem Party-Retter bedankt haben. Und dann stimmen alle in ein großes und fröhliches Lachen ein.

Dieses erste Wunder Jesu ist ein Alltagswunder. Gott kommt in meinen Alltag und verwandelt den Mangel in Freude und Fülle. Das ist zum Lachen und Fröhlichsein. Nicht erst in seinem Reich, im anderen Leben. Auch schon im hier und jetzt fröhliches Sein und die Fülle des Lebens.

 

Noch einmal zurück zur Mutter Jesu

Maria hat es begriffen mit ihrem sechsten Sinn, der Müttern so eigen ist. Sie weiß, Er rettet das Fest des Lebens. Hier zu Beginn des Evangeliums und dann noch einmal am Ende durch das Wunder der Auferstehung. Deshalb kann sie auch unter dem Kreuz stehen bei Johannes. 

Mein Leben wird in Freude vollendet werden. Denn Jesus Christus hat das Wunder vollbracht, allen lebensfeindlichen Kräften die Energie zu entziehen. Brot des Lebens und Kelch des Heils sind Zeichen seiner Freude, die er seitdem mit uns teilt.

 

Jesus feiert ein rauschendes Fest der Lebensfreude. Er rettet die Stimmung mit einem großartigen Zeichen und Wunder. Manche fragen, ob das denn sein muss, so viel Überfluss, so viel Protzerei. Hier ist nichts zu finden von einem schlichten Jesus. Vielmehr gibt er der Hochzeitsfeier den entscheidenden Drive.

Es geht weiter. Es darf weiter getanzt werden und gelacht, gesungen und gefeiert, wenn es sein soll, die ganze Nacht hindurch.

Jesus der Spender der Lebensfreude gegen die Mahner und Miesmacher.

Dass, was im Gegenwärtigen geschenkt ist, darf auch genossen werden, und eingesetzt, um dem Leben eine Chance zu geben.

 

Die ernste Stunde wird kommen, früh genug.

Als Christen dürfen wir auch zeigen, dass unser Herz und unsere Seele von Freude erfüllt sind über das Leben, an dem Jesus uns teilhaben lässt in all seiner Fülle. Er lässt uns teilhaben, weil wir bei ihm alle Sorgen und jeden Kummer abladen können. So werden wir frei und als solchermaßen Entlastete feiert es sich einfach besser.

Wohl kaum ein Gast wird auf der Hochzeit zu Kana an der Tür nach diesem Wunder abgewiesen worden sein. Jeder war willkommen, denn es war nun reichlich da zum Leben. Wo wunderbare Verwandlung geschieht, ob im Herzen oder im Alltagsmangel, da kann ich weitergeben mit Freude. Euer Leben ist nicht umsonst und schon gar nicht verloren. Das Fest geht weiter. Und alles, was ihr hier erlebt mit diesem Christus ist doch nur der Vorgeschmack dessen, was euch erwartet. Wenn aber dieser Vorgeschmack schon so übervoll und überfröhlich ist, dann brauche ich selber nicht mit sauertöpfischer Miene mein Christsein zeigen. Vielmehr bin ich herausgefordert, auch im Alltag, das neue Leben in Christus zu feiern.

Ernst wird es früh genug. Heute ist Feiertag, wie an jedem Sonntag, wie an jedem Tag des Herrn.

Umgeben von Sorgen um die Zukunft, umgeben von Sorgen um eigene Lebenschancen, leuchtet heute die Frohe Botschaft des Evangelisten in den grauen Januartag:

Feiert das Leben, inmitten von Tod, Tristesse und Ängsten. Lasst euch nicht davon regieren, sondern setzt ihnen die Lebensfreude Jesu entgegen.

Lachen, tanzen, lieben, essen trinken als Ausdruck einer unbändigen Lebensfreude angesichts der wundersamen Zuwendung Jesu, der meine Lebensparty rettet auch über den Tod hinaus.

Der Liedermacher Gerhard Schöne findet dafür eigene Worte, die uns an unseren Auftrag erinnern, aus der Fülle der Gnade Gottes heraus zu leben.

Spar deinen Wein nicht auf für morgen.
Sind Freunde da, so schenke ein!
Leg was du hast in ihre Mitte.
Durchs Schenken wird man reich allein.

Spar nicht mit deinen guten Worten.
Wo man was totschweigt, schweige nicht.
Und wo nur leeres Stroh gedroschen,
da hat dein gutes Wort Gewicht!

Spar deinen Mut nicht auf für später,
wenn du mal "was ganz Großes" bist.
Dein kleiner Mut hilft allen weiter,
weil täglich Mut vonnöten ist. (G.Schöne)

 

Amen.

 

Und Gottes Friede, der größer ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen uns Sinne in Jesus Christus. Amen.

 

 

 

Fürbitten

 

Herr Jesus Christis, als Licht kommst Du in unser Leben. Dafür danken wir Dir und bitten Dich:

Leuchte alle Finsternis aus, damit ihr die Macht genommen wird. Erhelle diejenigen, denen dunkle Gedanken jegliche Lebensfreude nehmen.

Scheine in die Köpfe derer, die nur Zerstörung im Sinne haben.

Wir bitten Dich für Kranke und Einsame, für Menschen in Not, hier in unserem Land und in vielen Ländern der Erde. Lass sie ihre Hoffnung auf Hilfe, die auch durch uns gegeben werden kann, nicht verlieren.

Stärke uns, ausgetretene Pfade zu verlassen, um neu auf Mitmenschen zu schauen.

Wir bitten Dich um Frieden, weil Krieg keine Zukunft hat, weil Krieg Leben zerstört und Lebenschancen zunichte macht. Gleichzeitig klagen wir dir unsere Ohnmacht, wenn Bemühungen um Frieden abgewiesen werden.

Wir bitten Dich für uns selbst. Manchmal sehen wir nur den gefüllten Tränenkrug und erkennen nicht, dass Du trotzdem an unserer Seite bist. Verwandle, was uns traurig macht. Rette unser Leben, wo wir hilflos sind. Stärke uns zu mutigen Entscheidungen für uns und für diejenigen, die du uns anvertraut hast, damit Leben gelingt. STILLE.

Vater unser…