Predigt über Johannes 17,20-26

  • 21.05.2020 , Christi Himmelfahrt
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Schwer vorstellbar ist für uns die Einheit von Gott Vater und Sohn Jesus Christus. Darüber kann man leicht in Streit geraten und die Kirchengeschichte gibt davon auch reichlich Zeugnis. Noch schwerer vorstellbar ist dann die Trinität, also Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. 
Weil nicht nur wir im 21. Jahrhundert diesbezüglich an unsere Grenzen kommen, sondern es unseren Ahnen ähnlich ging, wurde versucht, in Bild- bzw. Architektursprache zu übersetzen, was dem Verstand verschlossen bleibt. Gerade die Meister der Gotik verstanden es vortrefflich, Theologie in Steine zu hauen. Die Thomaskirche zu Leipzig im Hintergrund bietet dafür genügend Anschauungsmaterial. 
Auch wenn es neugotische Applikationen sind, mindert das nicht die theologische Aussage. 
Sie sehen die ineinander verschlungenen tropfenförmigen Gebilde. Drei wird Eins und hat dennoch jedes für sich die eigene Form.
Oder hier im hohen Fenster zeigt die Zweiteilung, auf welchen Säulen sich theologisches Nachdenken über Christus bewegt – wahrer Mensch und wahrer Gott.
Von diesen Fensterbögen wird das darüber Stehende getragen – die Welt mit ihren vier Himmelsrichtungen und gleichzeitig sind die Fensterbögen selber wieder trinitarisch miteinander verbunden.
Die Einheit von Vater und Sohn ist Jesus Christus, so wie er uns vom Evangelisten Johannes vorgestellt wird, besonders wichtig.

Wir hörten vorhin einen Abschnitt aus dem Johannesevangelium.

Wer kommt dort eigentlich zu Wort? 
Betrachtet man die Entstehung dieses Evangeliums, so gilt auch für Johannes, was für alle anderen Evangelisten gilt. Zeitzeugen Jesu sind sie alle nicht gewesen. Aber sie sammelten Sprüche, Reden, Gleichnisse oder Verse, um sie dann zu einem gut sortierten Erzählstrang zusammenzufügen.
Hier, im heutigen Predigtabschnitt, finden wir einen Auszug aus einem groß angelegten Gebet.
Jesus betet für seine Jünger ganz konkret und trotzdem auch zeitlos, wenn er sagt „Vater, ich bitte nicht allein für die, die du mir gegeben hast, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, dass sie alle eins seien.“ Dabei wird die Einheit der Gemeinschaft in und mit Christus hervorgehoben. 
Interessant ist nun, dass wir hier ja nicht Jesus Christus selber hören, sondern die johanneische Gemeinde Anfang des 2. christlichen Jahrhunderts. Das wiederum bedeutet: 
Der den Gemeinden verheißene Heilige Geist, jene Kraft Gottes, die zum Glauben führt, wirkt schon. Somit sind die Verse auch Ausdruck der Einheit von Vater, Sohn und! Geist.
Solch göttliches Wirken geschieht aus Liebe.
Damit wird die Liebe zum Erkennungsmal für das Handeln Gottes. „…und die Welt erkenne dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.“
Gott steht uns Menschen grundsätzlich als Liebender Gott gegenüber. So ruft er ins Leben, so birgt er uns nach irdischer Zeit im Himmelreich. Sichtbares Zeichen seiner Liebe ist Jesus Christus, der hier als Fürsprecher auftritt. 
Einen Fürsprecher zu haben, um für kommende, auch schwierige Zeiten, gewappnet zu sein, zählt zu den positiven Lebenserfahrungen von uns Menschen. Denn wir können uns auf den Fürsprecher verlassen. 

Christi Herrlichkeit sehen
Vielleicht, liebe Gemeinde, ist das eine gute Umschreibung von Himmelfahrt. Denn die Vorstellung, dass jemand in den Himmel auffährt, ist uns doch sehr fremd geworden. Allenfalls verbinden wir diese Vorstellung mit dem, was nach dem Tode geschieht. 
Aber für die Lebenden? 
Also suchen wir nach einem anderen Schlüssel für diesen theologischen Begriff, um ihn uns für den Alltag aufzuschließen und dadurch fruchtbar zu machen. 
Christi Herrlichkeit kann ich dort sehen, wo die Liebe Gottes im Nächsten wirkt. Somit verschwindet nach der Lesart des Evangelisten Johannes Jesus Christus nicht einfach in den Himmel, sondern lebt vielmehr fort in der Einheit mit seinen Gemeinden. Das galt für das zweite Jahrhundert gleichermaßen wir es für das Jahr 2020 gilt. 
Der geöffnete Himmel heißt für mich: Jesus Christus gibt das kleine Menschenleben nicht verloren, weder zu den Zeiten, wenn es auf der Erde wandelt, noch für die Zeit, die danach kommt. Was auch geschieht, er ist und bleibt Fürsprecher mit einer wunderbaren Verheißung:
Du, liebes Menschenkind, gehörst zu mir, 
so wie ich zu Gott Vater gehöre.
Du, liebes Menschenkind, bist aus Liebe an mein Herz gebunden. Da kann der Himmel sich verdunkeln wie er will – aus dieser Verbindung wird dich niemand herausreißen.
Daraus lassen sich Schlussfolgerungen für den Alltag ziehen.
Aus Liebe zu den Menschen, besonders zu den Schwachen, sich um Einheit in Europa zu bemühen, könnte eine solche Schlussfolgerung sein.
Die Liebe und nicht den Eigennutz zum Maßstab für eigenes Tun und Denken werden zu lassen, könnte eine weitere sein.

Amen.

Und der Friede Gottes, der größer ist als unser Verstehen, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Pfarrer Martin Hundertmark
hundertmark@thomaskirche.org