Predigt über Johannes 3,1-8

  • 30.05.2021 , Tag der Dreieinigkeit – Trinitatis
  • Superintendent Sebastian Feydt

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen

Liebe Gemeinde!

Das gehört sich nicht.
Noch heute beschleicht mich ein ungutes Gefühl, wenn ich diese Redewendung höre.
Fremder Leute Gesprächen zu lauschen, das gehört sich nicht, heißt es mitunter.
Dabei kann ich mich manchmal gar nicht entziehen.
Weil andere so laut sprechen, und ich gezwungen bin, zuzuhören.
Oder, weil es so spannend ist, was andere zu miteinander reden. Da fällt es schwer, nicht zuzuhören…

Wie ging es Ihnen eben bei dem Gespräch, an dem uns der Evangelist Johannes hat teilhaben lassen?
Jesus spricht mit Nikodemus.
Dank der Lesung konnten wir hören, was die beiden besprochen haben.
Fanden Sie das spannend?
Hat Sie das interessiert?
So sehr, dass Sie unbedingt weiter zuhören wollten?

Es war ja so, als ob wir ganz in der Nähe waren, wie in einem Nachbarraum, am Nachbartisch, und alles, was gesagt wurde, gehört haben.
Jedes Wort. Jede Silbe.

Ich würde das ungemein spannend finden, live einem Gespräch, das Jesus mit einem klugen, gelehrten Mann, einem Obersten aus der jüdischen Gemeinde führt, zuhören zu können. Sozusagen ganz nah dabei zu sein, wenn es um die wirklich wesentlichen Fragen des Lebens  geht.

Haben Sie das eben so empfunden, als Sie die Lesung gehört haben? Dass das ein Gespräch zwischen zwei Gelehrten ist, das in die Tiefe geht: in die Tiefe des Lebens und in die Tiefe unseres Glaubens?

Die äußeren Bedingungen waren damals optimal für einen wahrhaftigen Dialog zwischen zwei Gelehrten.
Die Sonne ist untergegangen, die Nacht hat begonnen. Es ist nicht mehr zu heiß.
Bis zum Nachtmahl bleiben zwei Stunden, um zu studieren, um zu lesen – oder eben über Gott - das Reich Gottes - zu sprechen.

Darum dreht sich das Gespräch der beiden Männer.
Jesus gibt Nikodemus zu bedenken:
Wahrlich, wahrlich ich sage dir:
Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Liebe Gemeinde, noch einmal:
Spricht Sie das an?
Ist das eine Aussage, auf die Sie reagieren möchten?

Die Behauptung von Jesus ist ja schon sehr steil:
Das Reich Gottes kann nur sehen, wer von neuem geboren wird, wer noch einmal ganz neu zur Welt kommt.
Nur: wer vermag das schon?
Das ist eine hohe Hürde.

Und wie muss ich mir das dann vorstellen: neu geboren – bin ich dann ein neuer Mensch?

Das wäre ein Vorstellung, die schon der Eine oder die Andere unter uns teilen würden, oder?
Noch einmal von vorn beginnen zu können.
Hinter mir lassen zu können, was mir so auf der Seele lastet, ablegen zu können, was misslungen ist im Leben.
Wo ich schuldig geworden bin.
Was ich grundlegend verkehrt gemacht habe…

Neu geboren zu werden würde bedeuten:
neu, anders zur Welt zu stehen, mit einem neuen veränderten Blick das Licht der Welt zu erblicken. 

Das finde ich herausfordernd, mitten in diesen ungewissen Zeiten, da wir so viel von einem neuen Aufbruch ins Leben, von einem veränderten Zugang zum Leben sprechen, zu hören:

Es ist nicht nötig zu warten, bis die nächste Generation geboren ist, die alles anders angehen kann.

Es gibt eine Chance für uns, schon jetzt, mitten im  eigene Leben etwas grundlegend neu werden zu lassen, sich selbst neu ausrichten zu lassen.
Ohne, noch einmal im Leben zurück gehen zu müssen.
Das gerade nicht. Jesus sagt es.

Wer sich von Gott und dem Reich Gottes im Leben orientieren lässt, muss nicht zurück, sondern nach vorn  schauen.

Der christliche Glaube lebt nicht rückwärtsgewandt in der Vergangenheit, nicht im Rückschritt zurück zu guten alten Zeiten oder Zuständen, sondern aus der Gewissheit heraus, dass es einen Neuanfang im Leben geben kann.
Das das ganz normale Leben neu werden kann.
Das ist doch eine Chance dieser Tage.
Nicht einfach zurück kehren zu wollen zu einer sogenannten Normalität des Lebens, von der wir wissen, dass sie nicht mehr erlangt werden kann; dass es sie nicht mehr gibt. Sondern die Möglichkeit eines Neuanfangs, eines neu zur Welt kommen zu ergreifen.
Darauf zu setzen, dass es diesen Neuanfang gibt. 

Gott sei Dank ist das so.
Ja, wirklich: Gott sei Dank!

Denn Gott gibt es mir.
Uns allen. Einem jeden, einer jeden.

Sich darauf ganz zu verlassen, darauf zu vertrauen, dass Gott seinen guten Geist dazu gibt, das macht den Glauben aus.

Und macht ihn gleichzeitig so schwer umsetzbar.

Weil wir – wie Nikodemus – gern auf etwas aufbauen wollen, das uns  vertraut ist:
Wissen, Einfluss, ein Vermögen, Versicherungen…
Alles, was wir selbst vermögen…

Viele sehnen sich danach zu wissen, was richtig und was wichtig ist, wohin wir uns orientieren und wo wir mit unserem Leben hingehören.

Es ist keine Frage.
Solche Gewissheiten braucht es im Leben.
In jedem Leben.

Doch wir wissen halt auch:
Diese Gewissheiten lassen sich nicht herstellen.
Sie lassen sich auch nicht herbeireden.
Sie bleiben immer unverfügbar.
Es hilft nur, zu vertrauen.
Das Wagnis einzugehen, sich auf ein neu-werden einzulassen: Sich auf Gott einzulassen.

Ist das nun etwas, das Sie interessiert?
Zu erfahren, wie das geht?
Sich auf Gott einzulassen?
Auf Gott zu hören?
Gott zu vertrauen?

Indem ich neu zur Welt komme.
Und neu zu mir komme.
Ein veränderter neuer Mensch werde.
Nicht stehen bleiben im Leben.

  • Jeden Tag einen Neubeginn im Alltagstrott zu wagen.
  • Das Lebensglas halb voll zu sehen und nicht halb leer. Wahrzunehmen, was alles schon neu geworden ist. In meinem Leben und in dem Leben der Menschen, die mit mir sind.

Und das, was bleibt, was nicht zu ändern ist gegenwärtig?  Das im Vertrauen auf Gott anzunehmen, vielleicht gar zu versuchen es zu lieben – und dann wird es auch anders… Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahrte unsere Herzen und Sinne in dem, der diesen Neuanfang im Leben vorgelebt hat – Christus Jesus.

Amen.

Superintendent Sebastian Feydt