Predigt über Jona 4

  • 25.06.2023 , 3. Sonntag nach Trinitatis
  • Superintendent Sebastian Feydt

1.So.n.Trin – 25.06.23 – Jona 4, St. Thomas

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen.

 

Liebe Gemeinde,

wie hören Sie eine Predigt?

In der Erwartung, dabei etwas zu erfahren, dem Sie hauptsächlich zustimmen zu können?

Oder hören Sie in der Erwartung, sich kritisch auseinandersetzen zu müssen, etwas zu hören, das Sie so noch nicht kennen, dem Sie gegebenenfalls sogar widersprechen?

 

Eine Predigt vermag beides: meine Zustimmung zu wecken, weil ich das Gefühl habe, wirklich angesprochen zu sein, in dem, was mein Leben ausmacht, verstanden zu sein.

Eine Predigt vermag aber auch meinen vehementen Protest wachzurufen. Das kann dann einhergehen mit dem Gefühl, sich so gar nicht verstanden zu fühlen.

 

 

Dann erzeugt die Predigt, die biblische Worte  mit dem Leben heute und meinem Glauben   zusammen spricht, das Sie frustriert sind, verärgert, mitunter aus der Kirche  gehen…

 

Die beiden biblischen Texte, die heute tragend im Gottesdienst sind, legen es darauf an, dass wir uns an ihnen reiben.

 

Da war das Evangelium. Wenn Sie es als die Geschichte vom sog. „verlorenen Sohn“ gehört haben, werden Sie sich über die großartige Güte des Vaters zumindest gewundert haben.

Gerecht geht anders.

Hören wir das Evangelium aber als das Gleichnis vom „barmherzigen Vater“, stellt sich deutlich die Frage, wie ich mich zu dieser Vorstellung von Gott als dem Barmherzigen selbst verhalte; ob es meine Wahrnehmung von Gott ist, dass Gott nicht allein gerecht und richtend, sondern eben vielmehr gnädig ist.

 

 

Wenn ich konkret betroffen bin in meinem Glauben, wenn ich selbst versuche, mich an Gottes Weisungen zu halten, anständig und nach den Geboten zu leben und dann erlebe, dass Gottes Gnade gerade denen zuteil wird, die es für sich anders entschieden haben zu leben, dann fällt es mir schon schnell schwer, für einen solchen Gott Verständnis zu haben.

 

Und dann ist der Widerspruch und auch der Ärger nicht weit. Auch nicht das Satz: Das war jetzt der letzte Tropfen, der mein Fass zum überlaufen gebracht hat: Ich gehe...

 

Und dann? Hab ich dann Ruhe?

Kann ich dann so glauben, wie ich es möchte? Findet meine Seele Frieden?

 

Wenn ich die Bibel, zu mindestens in ihren Ansätzen, verstehe, dann geht es dem uns in menschlicher Erfahrung vermittelten Wort Gottes nicht darum, mich in dem zu bestätigen, was ich denke, was ich schon weiß.

Und schon gar nicht zuerst in dem, was ich für richtig erachte. Das eben gerade nicht.

 

In der überwiegenden Mehrzahl wollen biblische Texte mich in meinem Denken und Glauben anregen und bereichern, indem sie mich zuerst einmal verunsichern, meine Gedanken infrage stellen, gegen meine Empfindungen von Recht und Gerechtigkeit ansprechen; um meine Vorstellung davon, wie Gott ist, wie ich Gott denken kann, wo ich auf Gott bauen kann, grundlegend durcheinander zu wirbeln.

 

Beide biblischen Texte, die heute aus dem Ersten und Zweiten Testament im Gottesdienst im Zentrum stehen, zeigen uns dieses Infrage-gestellt werden.

 

 

 

 

Jona, der späte Prophet, er ärgert sich maßlos über seinen Gott. Die Tatsache, dass Gott das Unheil, dass über Ninive, die Hauptstadt Assyriens, angekündigt war, reut, und deshalb davon abgelassen wird - dieser Umstand lässt Jonas schier vor Wut entbrennen.

Ärger ist nichts dagegen.

Jona ist richtig zornig und ringt mit Gott.

Er verlangt, dass Gottes Güte nicht allen Menschen gelten darf. Schon gar nicht denen, die sich von Gott abgewendet haben, anders glauben, anders leben, anders sind…

 

Liebe Gemeinde!

Dieser Jona ist nicht allein.

Bis heute schreibt sich seine Geschichte fort. Denn bis heute treibt dieses Ringen um das richtige Verständnis von Gerechtigkeit und Erbarmen in dem einen Gott verankert, uns Menschen um..

 

 

Weil so viele Menschen doch ganz wichtig ist, sich sicher zu sein, wie ich denke,

wie ich glaube, Gott glauben zu können.

 

Und dann will ich, gerade, wenn es im alltäglichen Leben schon so viel Ungewissheit und Veränderungen gibt, nicht auch noch meine Glaubensgewissheit hergeben müssen.

Ich will nicht ständig für mich entscheiden müssen, ob Gott eher gerecht oder barmherzig zu glauben ist.

 

Weil es ja für mich als Person eigentlich meist klar ist. Für mich, für mein Leben, nehme ich  schon selbstverständlich in Anspruch, dass Gott mir gnädig begegnet, mir meine Schuld vergibt und barmherzig ist. Für mich nehme ich in Anspruch, gerechtfertigt zu sein vor Gott.

Gnade für mich ist schon gut.

 

Problematisch wird es, wenn diese Gerechtfertigt-sein  auch für andere gelten soll.

Wenn dort, wo mir selbst das so gar nicht in den Sinn kommt, durch Gott plötzlich Gnade vor Recht ergehen soll. Zum Beispiel auch dem übelsten Menschenverächter menschenwürdig begegnet werden soll; ihm nicht die Menschenwürde abgesprochen wird.  Vergebung statt Vergeltung gilt, Vertrauen statt Misstrauen.

 

Liebe Gemeinde, diese wenigen Worte machen deutlich: Uns bewegt hier heute Morgen nicht alleine ein Ringen um das Gottes-Verständnis von gläubigen Menschen.

 

Wir ringen viel mehr mit den großen Fragen, die das Zusammenleben von uns allen angehen.

 

Wie halte ich die Ungerechtigkeit, die mir im Leben immer begegnet, überhaupt aus.

Und welche Möglichkeiten gibt es, die dieser Ungerechtigkeit entspringende Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter aufgehen zu lassen, sondern auszugleichen?

 

Welch großen Anteil hat hier der christliche Glaube, haben hier die sozial ausgerichteten Worte des Alten und Neuen Testaments für das Zustandekommen einer sozial ausgerichteten Wirtschaft, einer Sozialpartnerschaft, eines Sozialstaates im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte!

 

Oder nehmen wir das Beispiel der Würde eines jeden Menschen – ausnahmslos eines jeden.

Das ist von Anbeginn an in den Worten der Bibel angelegt.

Und bis heute ringen wir im eigenen Land heftig darum, diese Würde für alle zu wahren.

 

Wie ist es mit der Aussage:

Krieg soll nach Gottes willen nicht sein!?

Vor gar nicht langer Zeit meinten Christen und Kirchen in Europa, das sei selbstverständlich. Wie weit sind wir in diesem Ringen um ein überkonfessionelles Bekenntnis zum Frieden, zu dem Frieden zu dem Gott steht, zurückgeworfen worden.

Das Bekenntnis zum Frieden, der auf der Wahrung der Würde auch der Feinde beruht,

ist dem christlichen Glauben in seine DNA gelegt und hat maßgeblich mit dazu beigetragen, dass wir heute in weiten Teilen Europas in rechtsstaatlicher Ordnung und in Frieden leben.

 

Liebe Gemeinde, achten wir deshalb dieses ständige Ringen, das Infrage-gestellt-werden in meinem Denken und Tun und Glauben nicht gering!

Verachten wir es vor allem nicht, sondern gehen wir achtsam mit diesem Schatz um.

Denn durch diesen Impuls, der der Bibel innewohnt, werden wir neu bewegt.

Werden wir neu orientiert

und neu im Glauben angeregt.

 

- Dass Gott grundsätzlich ganz anders sein kann, als ich denke.

- Dass es schier ungeheuerlich sein kann, was Gottes Gnade mir abverlangt zu denken.

- Dass einer wie Jesus von Nazareth mit seiner Haltung fast immer auf der anderen Seite, am anderen Ufer steht und nicht da, wo ich stehe.

 

- Dass es Gott um das Leben und heute alle Menschen geht. Ausnahmslos.

 

Nicht ich allein bin Gott recht, sondern, global gedacht, alle Menschen sind Gott wichtig.

 

Wie hört der Prophet Jona am Ende von Gott? „Dich jammert die Staude, um die du dich nicht gemüht hast, hast sie auch nicht aufgezogen, (…) und mich sollte nicht Ninive jammern,

eine so große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?

 

Größer geht es kaum.

Gott geht es um die Menschen.

Alle. Jede und jeden.

Und um die Tiere.

Welche stärke Ergänzung.

Schöpfung im Ganzen.

Wertschätzung des Lebens.

Erhaltung der Lebensgrundlagen.

Aufrechterhalten der unserem Zusammenleben zugrundeliegenden Ordnung unter Gottes Beistand.

 

Barmherzigkeit, Gnade, Güte, Liebe, und Hoffnung für das gemeinsame Leben…

 

Wäre das etwas, dass sie heute mitnehmen für die nächsten Tage?! Für die Gespräche am Mittagstisch nachher, in der Taugesellschaft. Morgen, in einer der Pausen, dort wo sie arbeiten.

 

Es ist Ihnen zu entscheiden, wie sie heute Morgen eine Predigt gehört haben.

 

Der Friede Gottes, der höher ist…