Predigt über Lukas 11,5-13

  • 22.05.2022 , 5. Sonntag nach Ostern – Rogate
  • Superintendent Sebastian Feydt

Predigt Rogate, 22.05.2022, Lk11,5-13

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

In der Stille bitten wir Gott um seinen Segen für sein Wort.

 

Liebe Gemeinde!   Wie beten sie denn?

Mutter Teresa soll auf diese Frage geantwortet haben: Ich rede eigentlich weniger und höre mehr Gott zu. Und, wurde sie gefragt:

Was sagt ihnen Gott?

Darauf sie:

Gott redet auch weniger - und hört mehr mir zu.

Beten geht allein im Bitten nicht auf.

Aber Beten ist immer mehr als nur Hören. 

Es ist beides. Ich muss mich, so wie ich bin,

auf Gott einlassen.
 

Beten bedeutet: etwas von mir preiszugeben.

Von meine tiefsten Sehnsucht zu sprechen.

Zu sagen, was mir wirklich fehlt.

Nach den Worten zu ringen, die ausdrücken, woran ich meine Hoffnung fest machen.

Beten bedeutet, dass ich mich auf mich einlasse.

Und auf Gott.

 

Jeden Tag neu. 

Beten ist nichts, das ich ein für alle Mal gelernt habe und das mich Zeit meines Lebens begleitet.

 

Mein Gebet ist immer jetzt und hier.
Und dann kann es meine stärkste Verbindung zu Gott sein oder auch die größte Leere bedeuten.

 

Beten ist keine Kunst, will doch gelernt sein.

Aber wo und wie?

Wer hat heute als Kind die Chance, seine Eltern oder die  Großeltern beim Beten zu erleben?

Es sind wohl eher wenige.

Aber nicht, weil Erwachsene nicht beten.

Es beten weitaus mehr Menschen, als wir meinen Nur: sie tun es still, zurückgezogen, vielleicht gar ohne sich einzugestehen, daß sie beten. Es hat seine Berechtigung, dass schon die Jünger Jesus gebeten haben:  Lehre uns beten!
 

 

Nach Lukas antwortet Jesus:

Traut euch, Gott wie einen  Vater anzusprechen.

Und dann folgt das Gebet, das wir kennen.

 

Unmittelbar darauf setzt Jesus fort mit den Worten, die wir im Evangelium gehört haben:
Jesus sprach zu seinen Jüngern:

 

Wenn jemand unter euch einen Freund hat und gingen zu ihm um Mitternacht und spreche zu ihm:

Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn ein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen:

Mach mir keine Unruhe!

Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett;

ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.

 

Ich sage euch:

Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.

 

Liebe Gemeinde, das ist noch heute so:

Es kommt uns nicht in den Sinn, einem Freund

des Nachts die Bitte abzuschlagen, ihm mit etwas Brot für einen späten Gast auszuhelfen.

Das würden wir nicht tun.

Aber Jesu Beispielgeschichte hat noch eine tiefere Botschaft: Heißt es doch:

.. er wird wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben – soviel er bedarf.

 

Er wird ihm geben – soviel er bedarf.

Es geht nicht mehr allein um drei Brote.

Es geht um das, dessen ein Mensch bedarf.

 

Übertragen auf mein Gebet zu Gott und Gottes Antwort heißt das:

Wie der Freund im Gleichnis gibt Gott das Notwendige, alles, dessen ein Mensch bedarf.

 

Das bedeutet gleichzeitig aber auch:

Es ist ausgeschlossen, dass Gott nichts gibt.

 

Es ist unvorstellbar, mit einer Bitte vor Gottes Tür zu stehen – und unverrichteter Dinge davon gehen zu müssen.

Jede Bitte dringt vor; sie dringt an Gottes Ohr.

Und die Bitten an Gott sind nicht auf Geistliches beschränkt.

 

Die alltäglichen Bedürfnisse, alles, was wir im Wissen darum, dass wir nicht vom Brot allein leben, auch noch brauchen, alles allzu Menschliche – es hat seine Berechtigung vor Gott und von Gott erbeten zu werden.

 

Wichtig ist zu wissen, wohin ich mich wenden kann, wenn ich mir selbst nicht helfen kann, wenn ich auf etwas angewiesen bin, was ich mir selbst nicht geben kann, aber für mich oder für einen anderen Menschen zum Leben brauche.

 

 

Liebe Gemeinde,

das sind dann aber auch der Maßstab, vor dem unsere Bitten an Gott bestehen können müssen:

Ich bitte um etwas, was ich selbst nicht habe,

bei dem ich auf Hilfe angewiesen bin;  was ich bzw. ein anderer/andere zum Leben brauchen.

 

Beten ist kein wahlloses Aufzählen aller möglichen und unmöglichen Wünsche und Träume. Beten heißt  nicht, Gott mit allem zu konfrontieren, was mir gerade durch den Kopf geht oder auf meiner Seele liegt.

 

Beten bedeutet, mich Gott zuzuwenden

und danach zu fragen, was zum Leben nötig ist,

was im Leben Not-wendend ist.

 

Beten entspringt, so verstanden, meinen Lebensbeobachtungen, meinem Nachdenken

und meiner Schlussfolgerungen daraus.

 

 

Wenn ich mich darum bemüht habe heraus- zufinden, was mir und anderen zum Leben fehlt – und wenn ich weiß, was wir davon nicht selbst verwirklichen können – kann ich mit meinem Gebet vor Gott treten.

 

Beten setzt voraus, dass ich weiß, was los ist.

Wer beten möchte, muss das Leben kennen.

Wer beten will, muss die Menschen kennen.

 

Wer betet, muss sich selbst kennen.

Wer in diesem Wissen um die eigene Begrenztheit und Fehlbarkeit betet, wird von Gott nichts Unmögliches erwarten.

Die eigene Verantwortung wird nicht geleugnet.

 

Aber im Gebet, im Dialog mit Gott berühren sich meine Grenzen mit Gottes Möglichkeiten.

 

Und dann?

Was erfolgt dann? Was gibt Gott?

 

So sicher, wie der Freund aushilft mit Brot,

so sicher, wie ein Vater seinem Kind Eier und Fische gibt statt Skorpione und Schlangen, s

o sicher gibt Gott: seinen Heiligen Geist.

 

 

Das ist die kurze knappe Antwort. Gott gibt

den Heiligen Geist denen, die ihn bitten.

 

Läuft das meinen Erwartungen an Gott zuwider?

Empfinden wir diese Antwort als enttäuschend?

 

Sie ist – im Wortsinn – ent-täuschend.

Gott täuscht nicht. Wir bekommen keine falschen Tatsachen vorgespielt.

 

Gott gibt seinen Heiligen Geist.

Darin besteht seine Reaktion auf unser Gebet.

 

Und ist es nicht eine sehr realistische Reaktion?

 

Ist es nicht gut, dass wir von Gott das erwarten dürfen, was nur Gott geben kann:

Göttliches, göttliche Gaben, Heiligen Geist.

Ist es nicht eine große Hilfe, wenn das, was Gott vermag und das, was wir selbst tun können / oder müssen, zweierlei bleibt?

 

Im Gebet, in unserer Hinwendung zu Gott bringen wir Gott und unser Leben zusammen.

In der Antwort Gottes, in der Gabe seines Geistes an uns Menschen, empfangen wir das göttliche Geschenk und lassen es einwirken auf unser Leben.

 

Darin besteht die Kraft dieses Geistes Gottes: dass er uns erreicht, dass er in uns hinein spricht, dass er uns beeinflusst:

unser Denken und Handeln neu ausrichtet,

unser Leben verändert und verwandelt.

 

So, dass wir in der Lage sind aufzustehen gegen alles, was dem Leben entgegensteht.

  • Das sich Abfinden mit Gewalt und Krieg.
  • Das Verunglimpfen von Menschen.
  • Das Missachten der Würde eines jeden.        
  • Der Geist Gottes gibt uns die Kraft, einzustehen für alles, was dem Willen Gottes dient, die Erde gerechter gestaltet und das Leben erhält.

 

Amen.

Der Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.