Predigt über Lukas 8,4 ff.

  • 07.02.2021 , 2. Sonntag vor der Passionszeit - Sexagesimae
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Liebe Gemeinde,

3:1 ist ein schlechtes Ergebnis, zumindest im sportlichen Bereich aus Sicht der 1.
Allzu deutlich zeigt sich der Unterschied. Gegen die übermächtige 3 ist die 1 machtlos.
Zu eindeutig ist das Ergebnis. Wenn der Trainer der unterlegenen Mannschaft dann sagt, dass es trotzdem ein gutes Spiel gewesen ist, wird er selten ernst genommen. Sich das offensichtlich negative Ergebnis schönzureden, ist eine Methode, die nicht allein dem Sport vorbehalten ist. Jesus als Schönredner offensichtlicher Misserfolge, liebe Gemeinde? Das wäre dann wohl doch etwas zu weit gegangen. Jesus ist vielmehr ein kluger Beobachter seiner Umgebung. Karg waren die Böden auf den Feldern Galiläas und mühsam die Arbeit der Ackerleute. Trotzdem lohnte es sich jedes Jahr aufs Neue, die Körner auszubringen. Hoffnung nährt sich auch aus der guten Erfahrung vergangener Jahre.
Mit den Bildgeschichten möchte Jesus Brücken hin zum Verständnis bauen oder Anknüpfungspunkte im Alltag seiner Zuhörer finden, damit, und da sind wir beim zentralen Thema des heutigen Sonntags Sexagesimae, damit sich das Wort Gottes ausbreiten kann.
3:1 ist eine Erfolgsgeschichte, liebe Gemeinde, wenn man sie aus den Augen des Mathematikers oder des klugen Ökonomen betrachtet.
Gehen wir davon aus, dass sich in der Hand des Sämanns 100 Körner befinden. Er wirft sie um sich und gleichmäßig verteilen sich diese Körner auf vier verschiedene Böden – Weg, Felsen, Dornenstück und guter Acker. Bei hundertfacher Frucht, beträgt die Ernte dann 2500 Körner. Abzüglich der 75 Körner Verlust, bleibt immer noch eine Nettoernte von 2400 Körnern. Einsatz und Ernte ins Verhältnis gesetzt, fallen die 75 Körner nun überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Aus 3:1 wird 75:2400. Offensichtliches Scheitern muss demnach kein grundsätzliches Scheitern sein, wenn wir vom Ende her denken.
So erzählt Jesus von Gott, der uns Menschen zutraut, dass seine Frohe Botschaft aufgeht und fruchtbar wird. Reichlich teilt Gott aus. Reichlich empfangen wir als seine Menschenkinder diese Frohe Botschaft. Damit sie zu einer solchen wird, braucht es den guten Ackerboden.
Und genau hier liegt das Problem.
Christen sind nicht per se der gute Ackerboden.
Als Mensch trage ich den vierfachen Acker vielmehr in mir, mit Disteln und Dornen, mit felsigen Steinbrocken, dürrem Grund und gutem, fruchtbaren Boden. Die vierte Strophe des Nachtwächterliedes bringt es auf den Punkt:
Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen: unsere Glock hat vier geschlagen!
Vierfach ist das Ackerfeld;
Mensch wie ist dein Herz bestellt?


1.) Zertretene Hoffnung

Ein Viertel meines Lebens ist bestimmt von Hoffnungen, die zertreten werden. Noch ehe die Saat der Liebe und Zuwendung aufgehen kann, noch ehe die Idee zu Ende gedacht ist, da kommt jemand und zerstört alles.
Jesus nennt diesen Zerstörer „Diabolos“ – Teufel. Er wirbelt alles durcheinander und hat kein Gefallen an der guten Ernte, sondern lässt die Saat durch die Vögel auffressen. Die Vögel stehen in diesem Gleichnis für die äußeren Einflüsse. Zahlreich sind sie und bestimmen mein Leben zu einem Viertel. Zu einem Viertel, dass am Ende ohne Ergebnis da steht.
Wir bringen die Erfahrung mit, wie sich da irgendwie von außen etwas in meine Lebenspläne eindringt und alle Kraft auffressen will. Dabei brauchen wir doch die Kraft Gottes. Ich brauche sie, um mein Leben gelingen zu lassen, um es nicht an vergänglichen Dingen allein festzumachen. Aber Gottes Liebesbotschaft, noch ehe sie mich erreicht, hinweg genommen von dem, was mein Leben in diesem Moment so stark beeinflusst, dass ich mich nicht dagegen wehren kann.
In einer Welt und Gesellschaft, die sich leicht beeinflussen lässt, weil alles einfließt in das eigene Leben und Orientierung immer schwieriger wird, tut es gut, wenn die Vögel nicht so zahlreich am Lebenswegesrand warten, um die gute Saat wegpicken zu können. Jesus sagt: Bleibt beharrlich und schaut vom Ende her auf euer Leben.
Dann haltet ihr auch die Abschnitte aus, wo das Gefühl, alles, was in irgendeiner Weise Frucht bringen könnte, weg gefressen wird, aus.

2.) Auf der Sonnenseite des Lebens

Wer wünscht sich das nicht, Ihr Lieben – auf der Sonnenseite des Lebens zu sein für immer.
Der Traum von der Sonnenseite des Lebens erweist sich jedoch oft als zerstörerischer Alptraum.
Jeder gute Unternehmer weiß, dass, wenn sein Unternehmen die Krisenzeiten überstehen will, es auf gutem Boden stehen muss. Auf einem Boden, der auch dann noch Nahrung hergibt, wenn es schwierig wird.
Ich wünschte mir, die Banken würden wieder so austeilen wie unser Sämann im Gleichnis.
Getragen von der Gewissheit, dass am Ende das Ergebnis mit reichlichem Ertrag stimmt.
Und dafür auch die 75% Verlust in Kauf nehmend.
Aber wir lesen es fast täglich: Die Gier nach Maximalrendite duldet keinen Verlust. Alle ausgestreuten Körner müssen 100fältig Frucht bringen. An so viel Gewinn würde einem schwindlig werden. Die Sinne vernebeln und man kann nicht mehr klar denken.
Stellen wir uns vor, alles gelingt immer im Leben mit schnellem Erfolg, kein Rückschlag, keine Niederlage. Uns würde taumelig werden und wir verlören die Bodenhaftung. Auf das eigene Leben übertragen heißt das:
Bin ich immer auf der Sonnenseite des Lebens, trocknet die Seele aus und mit ihr geht der Lebenssaft verloren.
Und dann? Dann stirbt alles ab.
Wo der Nährboden nicht nachhaltig ist, führt schnelles Wachstum in die Katastrophe. Das letzte Jahr zeigt uns überdeutlich, wie wichtig Nachhaltigkeit ist. Für unsere Zukunft als Gesellschaft im Großen und Kleinen brauchen wir den Blick für gesundes Wachstum. Es darf nicht auf Kosten des schnellen Erfolgs und zu Lasten unserer Kinder oder Enkelkinder geschehen. Denn sonst wird es nichts mit der Ernte, sonst leuchtet der Weizen nur kurz und verbrennt dann in der Sonne.

3.) keine Luft zum Atmen

Wie Dornen stechen Ängste ins Leben hinein, lassen die Hoffnungen verbluten.
Wie Disteln überwuchern Sorgen um die Familie, um genügend Einkommen und Auskommen jegliche Kreativität. Neues kann nicht entstehen.
Die Kraft fehlt. Keine Luft mehr zum Atmen.
Alle Dynamik erstickt im Alltäglichen.
Auch das macht ein Viertel meines Lebens aus.
Ein Viertel, das aus dem Sorgen für und der Sorge um das Leben besteht.
Wie soll da noch Freude aufkommen?
Geschweige denn Platz sein für die Frohe Botschaft eines den Menschen zugewandten Gottes?
Groß sind die Sorgen momentan bei vielen Menschen. Arbeit geht verloren, Hilfen lassen auf sich warten. Wie werde ich die Krise überstehen? Werde auch ich krank werden und wenn ja, mit welchem Ausgang? Solche niederschmetternden Gedanken können so stark wuchern, dass sie von allem Besitz ergreifen, auch vom Körper.
Wo Sorge und Angst schneller wachsen als der Halm des Lebens, droht jegliches Leben zu ersticken.
Ein Viertel des Lebens nur Sorge.
Auch Sorge, dass ich etwas verpassen könnte an Lebensfreude und deshalb alles mitnehme, ohne Rücksicht auf Verluste. Die Disteln stechen dann unangenehm in meine Lebensbilanz und verursachen Schmerzen.

4.) Ende gut alles gut

Das klingt märchenhaft. Am Ende ist das Evangelium Gottes nur ein Märchen mit unwirklichem Happy End zur Vertröstung für all die im Alltag angefochtenen Seelen?
Erinnern wir uns an den Anfang.
Jesus erzählt eine Mutmachgeschichte.
Das ist mehr als Vertröstung.
Schaut, sagt er, schaut liebe Menschenkinder: Euer himmlischer Vater teilt so reichlich, ja fast verschwenderisch aus, dass immer etwas auch auf deinen Lebensacker fällt.
Euer himmlischer Vater macht das nicht nur einmal und wenn du dann gerade wie der Felsgrund bist, hast du Pech gehabt. Nein, so ist es gerade nicht, liebe Gemeinde.
Euer himmlischer Vater teilt immer wieder aus, auch in Krisenzeiten, in großen und persönlichen.
Er macht das, weil er weiß, soviel auch verloren geht, die Ernte wird gut werden.
Das macht Mut. Wachsen gegen den Trend. Hoffen gegen die Hoffnungslosigkeit mit der Gewissheit im Herzen: Gottes Botschaft ist letztlich immer wieder eine Frohe Botschaft, die Frucht bringt.
Was weiß ich schon, wie Gottes Gemeinde aussehen wird in 5, 10 oder 50 Jahren.
Wird es eine kleine, aber kraftvolle, hörbare Gemeinde sein?
Wird es eine große über alle Grenzen leuchtende Gemeinde sein?
Ich weiß es nicht und letztlich ist das auch unerheblich, weil ich mir dessen sicher sein kann:  Es wird die Gemeinde Jesu Christi geben, sie wird Frucht bringen und nachfolgende Generationen werden von der Ernte leben können.
Der reichlich austeilende Gott traut nämlich auch uns die letzten 25% zu, immer wieder aufs Neue, Jahr für Jahr.
Trotz allem, was in meinem Leben verdorrt, angezweifelt oder aufgefressen wird, trotz allem verbucht dieser Gott am Ende eine positive, ja reichliche Bilanz.
Er wird Erfolg haben mit mir, trotz allem.
Dieses Zutrauen macht Mut. Der letzte und gute Eindruck überlagert dann sogar die drei Viertel, in denen alles mühsam, vergeblich oder sorgenvoll gewesen ist.
Jesus Christus macht Mut, weil er mich ermutigt, vom Ende her zu denken und nicht das Leben aus der Gegenwart für alle Zeiten bestimmen zu lassen. Und genau diesen Perspektivwechsel brauchen wir heute dringender denn je.

Amen.