Predigt über Matthäus 13,44 ff.

  • 09.08.2020 , 9. Sonntag nach Trinitatis
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Liebe Gemeinde,

 Grundstückspekulanten werden die Verse des heutigen Evangeliums, das zugleich Predigttext ist, lieben. Legitimieren sie auf gleichnishafte Weise nicht ihr Tun? Jemand hat exklusive Kenntnis und macht diese sich zu Nutzen. Seinem Verhandlungspartner wird natürlich nichts davon erzählt. Er sieht nur, was offensichtlich ist – ein Stück einfaches Land, nicht viel wert. Das Wertvolle dieses Landes erschließt sich nur dem, der besondere Kenntnis hat. Moralisch handelt der Käufer des Landes aus unserem Gleichnis mit seinem Insidergeschäft nicht korrekt. Moral hat hier aber nichts zu suchen. Sie macht Gleichnisse kaputt. Es geht in dieser kleinen Geschichte um etwas anderes, liebe Gemeinde. Es geht um geschenkte Gnade und um die daraus folgende menschliche Antwort. Hören wir die Worte aus dem Matthäusevangelium noch einmal:  „44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker. 45 Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, 46 und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“

Alles riskieren, weil man sich hundertprozentig sicher ist: Das, was ich jetzt tue, ist die richtige Entscheidung. Da mag viel Unverständnis bei der eigenen Umgebung zu finden sein. Diesbezüglich ist das Gleichnis eingebettet in einen großen biblischen Erzählbogen. Er beginnt bereits mit Noah, der bekanntlich mitten in der Steppe eine Arche baut. Auch Abraham mit seinem unwirklichen Aufbruch wäre hier einzugliedern.

Jeweils ist die Entscheidung klar, weil jemand klarer sieht, weil er über den Tellerrand zu blicken vermag und: weil er ein grenzenloses Vertrauen in die Zusage Gottes hat.
Neutestamentlich wird dieser Bogen über die Jüngerberufungen fortgeführt. Sie lassen alles stehen und liegen, um den Weg mit Jesus Christus zu gehen, der ihnen im Alltag begegnet.
Alles riskieren, um Glauben, um Christus zu gewinnen?
Es bleibt zu fragen, ob solcherlei Spekulation für den Lebensalltag im Jahr 2020 taugt? Für den reichen Jüngling, von dem Matthäus ein paar Kapitel später erzählt, war das offensichtlich zu viel. Auf Verheißung hin alles riskieren? Das kam für ihn nicht infrage.
Jesus selbst ermutigt mit seinen Gleichniserzählungen auch in Fragen des Glaubens etwas zu riskieren.abei erzählt er die Geschichte nun so, dass am Ende eigentlich jeder zustimmt, weiß er doch um den Schatz. Viel riskanter wäre es, würde es sich um ein Gerücht handeln. Nein. Es ist kein Gerücht. Beide Figuren im Gleichnis sind Wissende.
Beide Figuren im Gleichnis sind aber zuerst Findende. Deshalb fragen wir auch zuerst nach dem
„Sich finden lassen im Alltag“
Denn, das wird hier besonders herausgestellt: Ackerarbeiter und Kaufmann gehen ihrer Alltagsarbeit nach. Der eine bestellt vermutlich als Tagelöhner den Acker, der ihm nicht gehört. Der andere tätigt als Kaufmann Geschäfte, um Gewinn zu machen. Während der Tagelöhner gar nicht auf der Suche nach einem Schatz ist, gehört die Suche unweigerlich zum Aufgabenbereich des Kaufmanns. Sein Geschäft wird nur florieren, wenn sein gut geschultes Auge aus der Masse der Perlen, besonders schöne Exemplare entdeckt.
Beiden aber ist eins gemeinsam:

Sie haben Glück. Ihnen begegnet der Schatz nicht deshalb, weil sie besonders gut sind in ihrem Beruf. Der Schatz ist einfach da – ein Glücksfall, weil man zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Weder lässt sich dieser Glücksfall durch harte Arbeit erzwingen, noch lässt er sich kaufen. Die Begegnung mit dem, was Christus als Himmelreich beschreibt, geschieht im einfachen Alltag, einfacher Menschen. Für solch eine Begegnung braucht es weder Kloster noch Gebet, weder Theologiestudium noch andere besondere Erkenntnisse. Gott bietet sich mitten im Alltag uns selbst an als die Chance unseres Lebens. Daraus folgt nun eine Entscheidung. Was mache ich mit diesem Schatz?

2.) Das unangemessene Tun ist angemessen

Vom Himmelreich geht eine so große Faszination aus, dass sich die Maßstäbe verschieben. Der Glücksfall soll zum Bestandsfall werden. Dafür braucht es besonderen Einsatz. Gottesbegegnungen mögen zufällig sein. Dauerhaft daraus persönlichen Gewinn, wie Kraft, Zufriedenheit, Gelassenheit oder schlicht nur Freude zu ziehen, dafür bedarf es des persönlichen Einsatzes. Gottes Reich gibt es umsonst, aber nicht kostenlos. Es kostet das eigene Leben in seiner bisherigen Form und zwar dergestalt, dass der Findende bereit ist, es ganz auf den Kopf zu stellen. Somit wird das unangemessene Tun zum einzig richtigen Tun. Weil der Schatz behalten werden will, setzt der Findende alles daran, ihn dauerhaft und unaufgebbar zu besitzen. Deshalb krempelt er sein bisheriges Leben um und trennt sich von den Dingen, die ihn am Ende nur belasten, deren Wert nicht so groß ist, wie diese neue Erfahrung.
Aus dem Alltag lässt sich der Findende rufen hinein in einen neuen Gestaltungsraum. Dieser ist ausgeleuchtet durch das Licht der Welt. In ihm findet er neue Erfüllung.
Warum wohl lassen sich Menschen dazu bewegen, Kirchenaufsicht zu machen, am Einlass für Motetten und Konzerte zu stehen, Kranke und Ältere zu besuchen, Fahrdienste oder Hilfe bei Festen zu leisten?
Doch nicht deshalb, weil sie gezwungen werden, sondern weil Gott sie in Anspruch genommen hat, weil sie Gottes Schatz gefunden haben, der sie auf die Beine stellt, und aktiv werden lässt.

Werfen wir als nächstes noch einen Blick auf den Kaufmann im Gleichnis

3.) Liebende handeln unlogisch aber entschlossen

Sein Tun entspricht nun überhaupt nicht einer kaufmännischen Logik. Denn, wenn er alles verkauft, was er hat, um diese eine kostbare Perle zu besitzen, wovon soll er dann leben?
Nein, er handelt nicht als Kaufmann, sondern als Liebender. Er ist ein Liebhaber, der für das besonders schöne Liebhaberstück bereit ist, den höchsten Preis zu bezahlen. Auch das ist unangemessenes Handeln. Aber Liebende tun dies. Sie fragen nicht nach Kosten und Nutzen, fragen nicht nach dem Morgen. Der glückliche Moment prägt von da an alles weitere Tun.
Übertragen auf das Gleichnis, welches ja vom Reich Gottes erzählt, heißt das: Die Gottesbegegnung im Alltag wird zum glücklichen Moment. Aus solchem Erleben heraus verändert sich der Blick auf alles, was mich sonst noch umgibt. Und es tritt eine Entschlossenheit zu Tage, die beeindruckt. Ja, ich will das neue Leben mit diesem Schatz. Dafür bin ich bereit, neue Wege zu gehen.
Gerne wurde das Kaufen von Acker oder Perle, indem für den Kaufpreis der gesamte Besitz eingebracht werden muss, als notwendiges Opfer dargestellt. Du musst Opfer bringen, um am Reich Gottes dauerhaft Anteil haben zu können. Jetziger verzicht wird später belohnt.
Was für ein grandioser Irrtum, liebe Gemeinde.
„In seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat“, erzählt uns der Evangelist. Es ist das genaue Gegenteil einer „Du-musst-Opfer-Bringen-Theologie“. Hier wird jemand ganz weit und ganz leicht. Er schaut auf das, was er bisher sein Eigen nennt mit anderen Augen und bekommt gleichzeitig die Fähigkeit zum Loslassen. Dominierend ist die Freude über das Neue und nicht der grießkrämerische Blick beim Verkaufen. Nur so kann auch losgelassen werden, was am Ende doch nur beschwerlich und eher hinderlich ist.
Letztlich ermutigt uns Christus mit diesem Gleichnis, sich die Freude zu bewahren.
Aus ihr heraus zu leben ist der neue Antrieb. Weil mir als von Gott gefundenes Menschenkind seine Freude in Christus zuteilwurde, darf ich ganz unbeschwert sie auch weitergeben – als Trost für die Trauernde oder als freundlichen Blick für den Einsamen, als helfende Hand ebenso wie als hörendes Ohr oder Stimme gegen Sprachlosigkeit - freiwillig als Liebhaber der Frohen Botschaft.
Darüber mögen andere sich beschweren oder den Kopf schütteln. Es kann mir egal sein. Denn ich weiß bereits um den Schatz, der in mein Herz eingepflanzt ist.
Zu guter Letzt: Schätze im Alltag
 Ein kleines Mädchen, ich schätze mal, sie wird ungefähr zehn Jahre alt sein, schreibt in das Gästebuch einer Kirche, die sie während ihres Urlaubs besucht:
„Wenn du Gott in dir fühlst, dann ist alles gut. Ich war hier.“

 Und der Friede Gottes, welcher höher ist als unser Verstehen, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.