Predigt über Matthäus 21,14-17

In diesem Gottesdienst wurden 50 junge Menschen unserer Gemeinde konfirmiert.

  • 14.05.2017 , 4. Sonntag nach Ostern – Kantate
  • Pfarrerin Taddiken

Ansprache zur Konfirmation am Sonntag Kantate, 14. Mai 2017

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde,

seit Ostern passiert in der schönen Stadt Konstanz etwas total Verrücktes: Irgendjemand steckt 20- und 50-Euro Scheine hinter die Scheibenwischer parkender Autos. Keiner weiß, wer das ist. Ist der bekloppt? Oder bescheuert? Oder beides? Gefreut hat sich interessanterweise erst mal keiner der Beschenkten. „Besorgte Bürger", wie in der Zeitung zu lesen war, riefen die Polizei auf den Plan, die die Geldscheine vorerst mal einkassiert hat. Wenn aber keine Straftat vorliegt, so die Aussage, dann könnten die Beschenkten ihr Geld zurückerhalten. Vorerst aber suche man noch nach Spender - und Motiv.

Ich erzähle das nicht, weil ich Euch einen Tip geben will, was ihr mit dem Geld machen sollt, das Ihr heute geschenkt bekommt. Sondern, weil ich gedacht habe: Wer weiß, ob hier nicht schlicht jemand ein Zeichen dafür setzen wollte, dass das Beste, was man mit Geld machen kann, immer noch dies ist: andere glücklich machen - oder ihnen helfen. Geld an sich ist nichts Gutes oder Schlechtes - allein, wie wir Menschen damit umgehen, kann Geld Todes-oder Lebenskräfte entwickeln. Was auch immer dieser Mensch damit im Sinn hatte: Es kann uns nachdenken lassen über das, was wir denn da über uns bestimmen lassen. Warum erst mal misstrauisch sein - und sich nicht einfach drüber freuen, dass sich da jemand freut, wenn wir uns freuen? Ist da nicht etwas vom Himmelreich zu spüren - und sind es nicht gerade diese Lebenskräfte, die wir unter uns stark machen müssten?

In der Konfirmandenzeit haben wir immer wieder gefragt, was denn dem Leben dient und woran wir uns orientieren können. Vor allem sind wir da bei Jesus gelandet und seiner Botschaft, was Menschen frei macht. Auf unserer ersten Rüstzeit in Kohren-Sahlis ging es um die Taufe. Um den Kämmerer aus Äthiopien, der irgendwie auf der Suche ist für sich und in Jerusalem eine Schriftrolle kauft. Der Jünger Philippus erklärt ihm, was er da liest und er versteht: In diesem Menschen Jesus, der den Tod überwunden hat, ist ein für alle male klar: Auch mich kann von Gott nichts trennen, nicht mal der Tod. Er lässt sich taufen und „zog seiner Straße fröhlich" - mit einem neuen Blick auf sein Leben.

Auch in Wittenberg war das Thema, als wir uns mit dem Cranach-Altar beschäftigt haben. Da gibt es ja im mittleren Abendmahlsbild einen freien Platz - für jeden von uns. Worum es da geht, ist zeitlos. Cranach hat sich und Luther selbst ins Bild gemalt: Hier gibt es Lebensbrot, das unserem Lebenshunger etwas anbietet, was uns wirklich sättigt - haltet Euch daran.

Und nicht zuletzt ging es bei unserer Dresdner Rüstzeit um Kain, der aus Eifersucht seinen Bruder Abel erschlägt. Es ging um die Todesmächte, die sich unserem friedlichen Miteinander bis heute immer wieder in den Weg zu stellen versuchen: Neid, Selbstmitleid, Geltungssucht, Ablehnung der eigenen Verantwortung. Ihr erinnert Euch an diese bornierte, lächerliche und scheinheilige Frage Kains: „Sollte ich meines Bruders Hüter sein?" Aber auch für diesen Typen gibt Gott eine Lebenschance, denn sonst würde die Welt im Chaos von Tat und Vergeltung untergehen. Dieser Weg führt nicht zum Leben - sondern der, der Barmherzigkeit mit Verantwortung zu verbinden weiß: „Du bist gefragt" - die Geschichte vom barmherzigen Samariter im Vorstellungsgottesdienst zeigt das eindrücklich: sich zum Nächsten machen zu lassen, das führt zum Leben.

Menschen aufrichten, ihnen eine neue Sicht auf das Leben zu ermöglichen: Es ist immer mehr ist als das, was ich jetzt begreife. Darum geht's, wo Jesus Leute heilt oder ihnen Gleichnisse vom Himmelreich erzählt. Und da gibt es noch eine andere Geschichte, die Ihr wahrscheinlich so noch nicht kennt. Sie bringt das Ganze gut auf den Punkt und nimmt auch euch als Konfirmanden in den Blick - und auch schon Eure jüngeren Geschwister, die sich möglicherweise auch mit dem Gedanken an die Konfi-Zeit tragen. Diese Geschichte gehört zum heutigen Sonntag Kantate. Sie spielt sich im Jerusalemer Tempel ab. Jesus hatte gerade die Händler rausgeschmissen, die Opfertiere verkauften und damit ordentlich abgesahnt (aber bestimmt nichts davon an die allerdings auch nicht erfundenen Autos geklemmt) hatten. Und dann geht es so weiter:

14 Und es kamen zu ihm Blinde und Lahme im Tempel, und er heilte sie. 15 Als aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrien und sagten: Hosianna dem Sohn Davids!, entrüsteten sie sich 16 und sprachen zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus sprach zu ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen (Psalm 8,3): »Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet«? 17 Und er ließ sie stehen und ging zur Stadt hinaus nach Betanien und blieb dort über Nacht. (Matthäus 21, 14-17)
Es ist nicht das Geschrei der Kinder, was die Schriftgelehrten stört. Sondern was sie schreien. Die freuen sich einfach für die Leute, die anders weggehen als sie gekommen waren - und begreifen intuitiv: Das also ist von diesem Jesus zu erwarten: Dass er Menschen die Erfahrung ermöglicht, dass das völlig Unerwartete in ihrem Leben geschehen kann - und dass alles, wirklich alles neu werden kann. Wenn Jesus heilt, dann ist das noch etwas anderes als gesund machen, dann hat das damit zu tun, dass es etwas völlig Neues möglich wird oder in den Blick kommt. Mir ist das letzte Woche noch mal sehr deutlich geworden an dem, was mir ein Student der medizinischen Physik erzählt hat. Er berechnet die Strahlendosis für Leute, die Krebs haben. Zusammen mit dem Arzt hat er mit einer Frau gesprochen, für die er das gemacht hat. Der hatte ihr offen gesagt: Es steht noch in den Sternen, ob das am Ende etwas wird. Aber diese Frau hat so viel Willen, Lebensmut und Lebenslust bekommen, weil allein die Möglichkeit bestand und sie gespürt hat: Da sind Leute, die sagen: Hey, wir machen alles für Dich, wir versuchen es, wir stehen hinter Dir - und lassen uns jetzt nicht vom Tod kleinkriegen, der bei dir auf der Matte steht. Hallo, was anderes ist denn Ostern, dass so etwas passiert? Das ist nicht nur irgendwie Trotz - sondern ein Froh- und Glücklichsein, auch wenn es nicht klappen sollte. Wo Leute sich vom Tod keine Angst mehr machen lassen und ihm sein letztes Recht auf unser Leben abstreiten - da kann man nur mit den Kindern im Tempel jubeln.
Noch einmal: Sie sind ja nicht doof, die Hohenpriester und Schriftgelehrten. Sie ärgert es aber, dass sie das nicht so kapieren wie die Kinder. Deshalb wollen sie die natürlich weghaben und fragen Jesus: Hörst Du, was die sagen? Und dann gibt Jesus es ihnen richtig. Denn er sagt nur ein Wort: Ja. Und dann macht er was, was sie schon bloßstellt, denn sie kennen natürlich alle Psalmen auswendig, nicht nur wie ihr den 23sten.Ob sie nicht wissen, dass Gott sich Lob bereitet habe aus dem Munde der Unmündigen? Dass gerade die Kinder eine Ahnung haben von dem, was „Glaube" sein kann und bewirkt? Und dann lässt er sie einfach stehen und geht weg. Gibt ihnen Zeit zum Nachdenken: Wenn man am Heiligsten Ort der Gegenwart Gottes nichts begreift von der Liebe, die aufrichten kann und stärker ist als Todesmacht - dann hat man noch nichts begriffen. Wo diese Liebe sich ereignet und Menschen begreifen, was immer geschieht, ich bin und bleibe getragen und begleitet, da ist Gott mit seiner Gegenwart. Da ist das neue Leben da, in das Jesus auferstanden ist. Wo Blinde und Lahme wieder den Durchblick kriegen und sich wieder in Bewegung setzen können, ist er da.

Wir haben uns ja auch Gedanken gemacht, inwiefern wir selbst dazu gehören und etwas von dieser Erfahrung machen oder auch schon gemacht haben. Denn das, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, und anderes waren unsere Themen. Manches haben wir besser rübergebracht und manches schlechter. Danke, dass Ihr mit uns auch nachsichtig wart, vor allem mit mir, aber auch mit Vikarin Tenbergen, Christina Lucas-Lehmann und denen, die Euch auf den Rüstzeiten begleitet haben wie Thomas und Richard. Für uns war es wichtig, euch darin zu bestärken, dass ihr freie und von Gott geliebte Menschen seid, die sich trauen, ihre Position zu vertreten. Die sich von ihren Ängsten nicht bis zur Handlungsunfähigkeit besetzen lassen. Sondern dass ihr zu denen gehört, die dem vertrauen, was Jesus sagt und was dem Leben dient - und dass Ihr danach immer wieder sucht. Dass ihr euch nicht kleinkriegen lasst von Hass, Klein- und Engstirnigkeit, sondern von der Weite lebt, die über das Jetzt und Hier hinauszudenken wagt. Und dass Ihr Euch überlegt, wie ihr dafür auch Zeichen setzen wollt - so wie der Typ in Konstanz mit seinen Geldscheinen. Wir sind gewiss: Ihr werdet Eure Wege finden, wie ihr Eure Stimme unter uns laut werden lasst wie die Kinder, die im Tempel jubeln. Dabei segne Euch Gott. Heute, alle Tage Eures Lebens und darüber hinaus.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org