Predigt im Abendgottesdienst über Matthäus 28,16-20

  • 11.07.2021 , 6. Sonntag nach Trinitatis
  • Prädikantin Dr. Almuth Märker

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.

Der Predigttext steht bei Mt im 28. Kapitel (Vv. 16-20):

„Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Haben Sie irgendwann in Ihrem Leben einmal überlegt, Lehrerin zu werden? Stehen Sie vielleicht schon seit Jahren in diesem Beruf und unterrichten Tag für Tag eine Klasse? Oder überlegen Sie sich als junger Mensch gerade, ein Lehrerstudium zu beginnen, mit dieser Entscheidung nicht zuletzt dem Drängen der Erwachsenen nachgebend, dieser Beruf sei eine „sichere Bank“.

Lehrer, Lehrerin sein: Wissen weitergeben. Jemandem beibringen, Texte zu lesen und zu verstehen. Zu gemeinschaftlichem Arbeiten anleiten. Falsche Lösungwege durchstreichen und die richtigen aufzeigen. Das entschiedene „Halt! Bis hierhin und nicht weiter!!“ sagen. Freundlich dazu ermutigen, hier weiterzugehen und weiterzumachen. Dazu anregen, in einer Gruppe zu arbeiten. Gemeinschaft fördern.

Lehrer, Lehrerin sein.
Sie merken – den Leistungsgedanken des Lehrerberufs habe ich bei diesen Überlegungen einmal außen vorgelassen.
Jesus verabschiedet sich von seinen Jüngern, vom harten Kern der Elf. Ob die Jüngerinnen in dieser Szene mit anwesend waren, ist nicht überliefert. Ich denke sie mir dazu.
Für diesen Abschied zitiert Jesus sie auf einen Berg. Ich finde ja manchmal, in Leipzig könnte mehr Berg sein. Das fehlt in unserer Stadt einfach, ein solcher Ort, an dem man dem Alltag enthoben ist. An dem man auf Abstand geht und dabei gleichzeitig den Überblick behält. Ein Ort, an dem man dem Himmel ein Stück näher ist. Ein Berg. Jesus hat schon gewusst, warum er die Elf sich dorthin versammeln lässt.

Und alle elf kommen auf den Berg, sie sind dabei ganz unterschiedlich gestimmt. Sicher hat es manche von ihnen mit Hochstimmung, mit einer gewissen Euphorie erfüllt, Jesus dort zu sehen. Immerhin hatten Sie da schon die Kreuzigung hinter sich gebracht. Immerhin war Jesus da schon von den Toten auferweckt worden. Das hatten sie von den Frauen erfahren, denen der Auferstandene als erstes begegnet war. Und nun stand er vor ihnen. Hochstimmung und Euphorie womöglich bei den einen. Einige aber – so steht es in unserm Predigttext – zweifelten. Angst und Schrecken hatte sie wohl ergriffen. Sie waren sich gar nicht so sicher, was sie davon halten sollten, was sie da gerade erlebten: Jesus gekreuzigt und angeblich auferstanden … Und nun steht er vor ihnen? Sehr verständlich, sehr nachvollziehbar, dieser Zweifel.

Jesus hat eine kurze Abschiedsrede vorbereitet. Es sind nur fünf Sätze. Aber die haben es in sich: 
Mir ist gegeben alle Macht, ich habe alle Vollmacht im Himmel und auf der Erde.
Geht hin und lehrt alle:
- indem ihr tauft auf den Namen des dreieinigen Gottes und
- indem ihr einhalten lehrt alles, was euch von mir aufgetragen wurde.

Und siehe, ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende der Zeiten.

Diese Abschiedsrede wiegt schwer. Sie ist beides zugleich: Abschied voneinander und die Zusage der Gegenwart füreinander. Das Gewicht der kurzen Rede entsteht ja durch ihren ersten und letzten Satz:
VOLLMACHT. Mir ist gegeben alle Macht.
BEISTAND. Ich bin bei euch bis ans Ende der Zeiten.

Spannend ist dann vor allem das, was dazwischen, zwischen den beiden Schwergewichtsätzen, passiert. Dies wird gemeinhin 'Missionsbefehl' genannt.

Missionsbefehl. Befehl zur Mission.

Vor sechs Jahren gab es eine Klausurtagung des Kirchenvorstands von St. Thomas, die unter diesem Thema stand. Ein ganzes Wochenende über „Mission“. Da hätten Sie mal hören sollen, wie die Wogen der Diskussion hoch hergingen. Wie am Anfang des Wochenendes eine Scheu, ja eine Abscheu gegen das Missionieren artikuliert wurde: Man könne andern doch nicht die eigene Meinung, den eigenen Glauben gar überstülpen! Und wie am Ende des Wochenendes alle darin überein stimmten: Mission ist wichtig hier und jetzt und findet täglich statt.

Im Missionsbefehl bei 'Matthäi am Letzten' (= Mt 28, 18-20) wird ein Schüler-Lehrer-Verhätnis aufgespannt, wie mir es erst jetzt, bei dieser Predigtvorbereitung auffiel.

Schüler – Lehrer.
Lehrer – Schüler.
Beides wir. Je nachdem, wie unsere Lebenslage sich gerade befindet. Ob wir derzeit
            „im festen Glauben
            nach seiner Macht
            und hülfe sehn.“

Dann können wir Lehrer sein.

Oder ob unsere Glaubensknie gerade weich geworden sind und wir schwanken wie ein geknicktes Rohr. Dann dürfen wir in die Schülerrolle schlüpfen.

Schüler – Lehrer. Auch vier Jahre nach Erscheinen der revidierten Lutherübersetzung der Bibel macht es Freude, auf feine Unterschiede zwischen der alten und der neuen Übersetzung zu achten. Früher lautete der Missionsbefehl: „Geht hin und macht zu Jüngern alle Völker!“ Heute heißt es dort: „Geht hin und lehret alle Völker!“ Da wurde für die Übersetzung eine abschwächende, neutralisierende Formulierung gewählt. Wörtlich gemeint ist tatsächlich: „... macht zu Schülern alle Völker!“

Schülerinnen und Schüler.

Wenn die Jünger Jesu, wenn wir in die Welt geschickt werden, soll es so zugehen:

Wir können so vom Evangelium Jesu Christi erzählen, dass die anderen Lust auf Mehr bekommen, dass sie es selbst probieren wollen, dass sie erfahren wollen:
Wie ist es, Jesu Geschichten zu hören und ihm zu folgen?

Wie ist es, seine Krankenheilungen zu erleben?

Was macht die verändernde Kraft der Bergpredigt aus?

Vielleicht werden die anderen neugierig – so, wie es im besten Fall Schüler werden.

Macht zu Schülern, macht neugierig auf Jesus Christus, macht Lust auf da Evangelium aller Welt.

Konkret soll das geschehen, indem wir 1.) taufen und 2.) alles, was Jesus aufgetragen hat, zu halten lehren. So richtig bei Lichte besehen, gilt der erste Unterpunkt – das Taufen – heute nur für Pfarrerinnen und Pfarrer. Taufen dürfen nur sie. Von der Ausübung des Sakraments der Taufe ausgenommen sind beispielsweise Prädikantinnen und Prädikanten. Jedenfalls in Sachsen. Vielleicht ändert sich da ja in der EVLKS in den nächsten Jahren etwas.

Beim zweiten Schritt nach dem Taufen – dabei, einzuhalten zu lehren, was Jesus aufgetragen hat – sind dann wir alle gefragt. Lehren. Lehrer sein, Lehrerin sein. Das vertreten, das hochhalten und weitergeben, was Jesus uns mitgegeben hat.

Haben Sie irgendwann in Ihrem Leben einmal überlegt, Lehrerin zu werden?

Jemandem beibringen, (Bibel)Texte zu lesen und zu verstehen. Zu gemeinschaftlichem Arbeiten anleiten. Falsche Lösungwege durchstreichen und die richtigen aufzeigen. Das entschiedene „Halt! Bis hierhin und nicht weiter!!“ sagen. Freundlich dazu ermutigen, hier weiterzugehen und weiterzumachen. Dazu anregen, in einer Gruppe zu arbeiten. Gemeinschaft fördern.

Lehrer, Lehrerin sein. In Jesu Namen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und unser Beginnen in Christo Jesu. Amen.

 

Dr. Almuth Märker, Prädikantin an St. Thomas
almuth.maerker@web.de