Predigt über Matthäus 3,13-17

  • 12.01.2020 , 1. Sonntag nach Epiphanias
  • Pfarrerin Britta Taddiken

 

Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. 14 Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? 15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt zu! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's ihm zu. 16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. 17 Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

die orthodoxen Kirchen des Ostens feiern heute das Fest der Taufe Jesu. Sie begehen ähnlich wie wir den 6. Januar als Tag der Erscheinung des Herrn. Denn in der Stunde der Taufe bekennt Gott sich zu Jesus und verkündet ihn öffentlich vor aller Welt als seinen Sohn. Wir haben die Geschichte aus dem Matthäusevangelium eben gehört. Und in der Tat ist in dieser kleinen Szene alles enthalten, was Jesus war und ist und für uns sein wollte. Was verbinden wir zunächst einmal mit der Taufe? Viele vor allem, dass ihr Kind einige Wochen nach seiner Geburt in die Gemeinschaft der Glaubenden aufgenommen wird. „Wir möchten den Segen für unser Kind und dass Gott es auch als sein Kind beschützt“, sagen die meisten Eltern. Zur körperlichen soll die geistliche Geburt treten. Wenn man sich die Johannestaufe anschaut, geht es da aber um etwas völlig anderes. Sie ist die letzte Möglichkeit der Rettung aus dem unmittelbar bevorstehenden Gericht. „Ändert Euer Leben – oder es ist alles zu spät.“ Über den menschengemachten Klimawandel hat man damals wahrscheinlich noch nicht debattiert und was wir zu verändern haben. Aber die grundsätzliche Frage gab es schon. Die Art wie wir leben, war für Johannes in sich so zerstörerisch, dass er nur denken konnte: Sie verdient es unterzugehen. „Reißt Euch am Riemen, kehrt um, nur so könnt ihr die Katastrophe abwenden.“ So wie in den Tagen des Noah sei Gott es sich gewissermaßen selber schuldig, die Menschheit reinzuwaschen in einer neuen Flut - deshalb rief Johannes die Menschen dazu auf, in das Wasser des Jordans zu steigen. Keine Frage: Solche Stimmen wie die von Johannes dem Täufer oder anderen – sie sind wichtig, sie wecken auf, sie konfrontieren uns mit unserem lebensgefährlichen Hang zur Bequemlichkeit. Bei allem, was wir als Menschen tun und wie wir leben – wir kämpfen immer schon auch gegen die Natur und gegeneinander und haben gelernt, uns durchzusetzen. Beziehungsweise das, was wir für unser Recht halten. Und spielen dabei mit dem Feuer, nicht zuletzt das Säbelrasseln zwischen dem Iran und den USA in der letzten Woche hat es wieder einmal gezeigt. Menschen schrecken nicht davor zurück, die Identität der anderen zu zerstören, wenn es ihnen um ihr vermeintliches Recht geht. Wer die Zerstörung kultureller Stätten (Erbe der Menschheit!) androht, befindet sich auf demselben Level der kulturellen Ignoranz wie der Islamische Staat. Nein, wachsender Wohlstand führt nicht dazu, dass die Gewaltbereitschaft sinkt, im Gegenteil kann man manchmal denken. Selbst zivilisierte halbwegs erzogene Menschen führen sich im Straßenverkehr unglaublich auf und was unsere Ehrenamtlichen zu Heiligabend und Silvester an den Türen der nun leider schon einmal überfüllten und daher geschlossenen Thomaskirche zu hören bekommen haben, wird in manchem den Tatbestand der Beleidigung erfüllen.  

 

Auf der anderen Seite hat sich parallel dazu aber immer auch – trotz Krisen und Niedergang der äußeren Formen oder Verfasstheit von Religionen - die religiöse Hoffnung der Menschen auf ein ganz anderes Leben geltend gemacht. Auf ein Leben, in dem die Angst überwunden werden kann und bedingungslose Achtung und Respekt vor dem Leben des anderen möglich ist. Sollte es nicht möglich sein, noch einmal ganz von vorne zu beginnen? Erneuert und vermenschlicht? Eine „Generaltaufe“ der Menschheit?

 

So etwas schwebt Johannes in etwa vor. Als Jesus an den Jordan kommt, wird er Johannes grundsätzlich Recht gegeben haben. Sonst wäre er nicht selber in dieses Zeichen der Taufe eingetreten. Und vielleicht hat Jesus diesen Grundgedanken in einem gewissen Sinn noch radikaler gedacht bis hin zu dem Punkt, dass alle Gerechtigkeit Gottes ihre Erfüllung fände. Denn: Ist es von Johannes nicht doch ein Stück zu kurz gedacht wenn er glaubt, die Menschen könnten gut sein, einfach wenn man sie dazu aufruft und wenn sie beschließen, ein anderes Leben zu führen? Wir kennen das von uns selbst, wie weit oder wie kurz das reicht, wenn wir uns sagen: ab morgen, da wird dies oder das in unserem Leben anders. Jedenfalls wenn es wirklich grundlegende Dinge sind. Das Alte schiebt sich immer wieder davor, die alten Gewohnheiten, Prägungen wie auch immer man das nennen will. Das ist der Grund, warum gute Vorsätze Quatsch sind, sie funktionieren nicht. Da geht ein Riss durch uns selbst, wie wir sind und wie wir sein sollten. Und er setzt sich fort in unseren Beziehungen untereinander und auch zu Gott. Deshalb erzählt die Bibel davon, wie Adam und Eva sich vor Gott im Garten Eden verkriechen: Weil ihnen diese Blöße peinlich ist. Sie haben Angst. Der Mensch traut sich nicht, sich so zu zeigen, wie er wirklich ist. Er flüchtet sogar vor Gott und seine Angst führt ihn zum Ausweichen, zum Lügen, zur Flucht vor sich selbst und voreinander. Die Bibel erzählt diese Geschichte, um uns zu sagen: Solange wir so fühlen, werden wir nicht gut sein können, nur einfach, weil wir es wollen. Sogar unser „gutes“ Wollen kann noch ein Teil der Täuschung vor uns selbst und anderen sein. Es gilt, sich zu stellen.

 

Und eben dies tut jetzt Jesus in dieser Szene, wo er sich taufen lässt. Es geht ihm nicht um das Davonkommen, wie den anderen, die zu Johannes kommen. Sondern es geht ihm um den Anfang. Um den Anfang seines Wirkens und seiner Aufgabe. Um die Taufe als Zeichen, sich Gott ganz und gar zu überlassen, was immer auch geschieht. „Lass es jetzt zu“, antwortet Jesus dem Täufer, der ihn abwehren will. In der freiwilligen Unterordnung, in der Aufgabe aller Ansprüche macht er das deutlich. Und auch, in dem er sich eintauchen lässt, in die Fluten des Jordans. Im Symbol des Untertauchens unter Wasser, Zeichen des Lebens, aber zugleich auch des Todes, steckt auch das: Sich bewusst diesem Moment der Angst auszusetzen, wo ich nicht mehr über mich verfüge und mich Gott hingebe, im Vertrauen, er lässt mich nicht untergehen. Gottes Gerechtigkeit ist seine Barmherzigkeit – das gilt es zu entdecken. Für sich. Erfahren kann das, wer sich darauf einlässt.

 

Jesus tut es. Und es ist das einzige, wo wir sozusagen mit seinen Augen schauen: „Da tat sich ihm der Himmel auf und er sah den Geist Gottes wie eine Taube über sich kommen.“ Gleich zweimal steht es hier: „Siehe“ - siehe, was Jesus sieht. Und siehe es auch für Dich. „Da tat sich ihm der Himmel auf.“ Ihm – und Dir. Der Riss, der Abgrund, der uns vom Himmel trennt, ist überwunden. Gott schickt seinen Geist herab in Gestalt einer Taube. Die Taube, die wir verstehen können als Anspielung darauf, dass Noah nach der Flut erkunden wollte, ob die haltlos auf dem Wasser dahintreibenden Bewohner der Arche wieder festen Grund unter die Füße bekommen werden. Das ist in der Tat ein Neuanfang: ein Leben unter den Augen Gottes, das seine eigene Wahrheit nicht zu scheuen braucht. Das ist wirklich so etwas wie eine Wiedergeburt, durch die wir unser Leben noch einmal, unbelastet von allen Zwängen und Ängsten, neu annehmen können.

 

So wird Jesus zum Sohn Gottes erklärt. Und vielleicht mag es für die, denen Matthäus dieses Evangelium geschrieben hat, sofort daran gedacht haben, woran sie das erinnert. An den „Sohn“ oder „Diener“ Gottes, von dem der Prophet Jesaja spricht. Vom Gottesknecht. Von ihm haben wir in der Lesung gehört. Er sollte sein Volk durch seine Sanftmut befreien. Gott spricht: „Siehe, das ist mein Knecht, an dem meine Seele Wohlgefallen hat“. „Knecht“ ist in diesem Zusammenhang nicht als abwertend zu verstehen, denn „Knecht“ bzw. Diener“ und „Kind“ sind im Griechischen das gleiche Wort: „pais“. Und auch die Vorstellung vom Sohn Gottes ist schon sehr alt und keineswegs bezieht sie sich nur auf Jesus. Im Alten Ägypten etwa wird der Wesir des Pharaos Cheops in seiner Titulatur angeredet als leiblicher Sohn des Königs, den sein Herr liebt. Oder eben auch: an dem er Wohlgefallen hat. Dieser Titel zeigt deutlich, was mit diesem Ausdruck „leiblicher Sohn“ gemeint ist: Der Wesir war nicht biologisch gesehen der Sohn des Pharaos. Aber er hat die große Pyramide gebaut: Er war die Verkörperung, die Inkarnation des Willens seines Herrn und eben darum „leiblicher Sohn“. In der Bibel hat sich der Titel nicht geändert, sondern nur die Auffassung wer Herr ist und was der Wille des wahren Herrn der Welt ist. Dieses Bild jedenfalls wird Bild der Berufung Jesu und das Bild dafür, wie ihn die Menschen an seiner Seite wahrgenommen haben.

 

Wie wird ein Mensch sein, der Gott in diesem Sinne dienstbar ist und hilfreich? Es ist ja schon besonders, dass sich durch die ganze Bibel der Gedanke zieht, Gott nimmt Menschen in den Dienst, damit sein Wille unter uns sichtbar und vollendet wird. Es ist eine Auszeichnung, dass wir Gott von Nutzen sein können. Und es ist unverkennbar: Jesus hat das in dem Sinne getan wie der Gottesknecht. Ist genauso auf die Menschen zugegangen wie dort beschrieben: „Er wird nicht schreien noch rufen.“ Von denen, die das tun, im Namen Gottes womöglich, kennen wir genügend. doch je lauter die Leute schreien, desto weniger haben sie meistens zu sagen. Und desto weniger haben sie Recht. Worte, die wahr sind, sagt man am besten ganz leise, dann dringen sie in unser Herz, das sich nur öffnen lässt, wenn man Gewalt vermeidet. Es ist nicht nötig für Gott Reklame zu machen, indem man überall Spektakel veranstaltet. Was von Gott zu sagen ist, teilt sich mit zwischen mir und Dir, sehr persönlich, fast privat - dann ist es glaubwürdig, richtet den Schwachen auf, zerbricht nicht das Geknickte, löscht das Verglimmende nicht aus.

 

Was in dieser Szene am Jordan angefangen hat, hat Jesus gelebt. Und alle, die den Namen Christi tragen, haben daran Anteil. Uns steht der Himmel offen. „Siehe.“ Siehe!

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Britta Taddiken, Pfarrerin an der Thomaskirche, taddiken@thomaskirche.org