Predigt über Matthäus 6,5 ff.

  • 17.05.2020 , 5. Sonntag nach Ostern – Rogate
  • Pfarrer Martin Hundertmark

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Lohnt sich beten, liebe Gemeinde?

Je nach Lebens- bzw. Gotteserfahrung wird die Beantwortung dieser Frage doch sehr unterschiedlich ausfallen. Eine einfache, für alle Situationen gültige Antwort gibt es darauf nicht.

Gebete gehören auf der anderen Seite zum vertrauten Gut einer Religion. Wir könnten auf viel verzichten im Gottesdienst und mussten das in den letzten Wochen auch – aber niemals auf Gebet und Evangelium. Das wäre nur schwer vorstellbar. Im Gebet treten wir in Zwiesprache mit Gott – ganz persönlich. Das schätzt Jesus Christus als er seinen Jüngerinnen und Jüngern eine kleine Handreichung zum Beten gibt.

Plappert nicht so viel und vor allem stellt euer Beten nicht zur Schau. Betet mit dem Herzen und den Worten, die euch einfach so über die Lippen kommen. Gebete müssen keine wohlformulierten Texte sein, wenngleich wir uns über solche gelegentlich auch freuen. Gebete müssen zuallererst ehrlich sein.

Der Evangelist Matthäus sammelte Ende des 1. Jahrhunderts Sprüche und Erzählungen von Jesus Christus. Bei ihm finden wir die wohl meist zitierten Worte des Neuen Testaments im Vater-Unser-Gebet. Neben Anrede und Schluss enthält es sieben Bitten, von denen die Bitte um das tägliche Brot in der Mitte steht. Dass damit nicht allein Essen und Trinken gemeint sein kann, wird jeder spüren, der zwar satt ist aber dessen Hunger trotzdem nicht gestillt wird. Gerade in der gegenwärtigen Situation spüren wir, wie wichtig all die anderen Dinge sind, die unser Leben eben auch ausmachen.

Martin Luther fand dafür vor knapp 500 Jahren in seiner Auslegung zum Vaterunser folgende Worte:

„Was heißt denn tägliches Brot?

Alles, was not tut für Leib und Leben,

wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh,

Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut,

fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.“

Solch ganzheitlicher Ansatz fragt auch nach dem, was um uns herum geschieht. Dabei wird festgestellt, dass die reine Nahrungsaufnahme noch lange kein gutes Leben bedeutet. Der Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Regierung z. B. tritt in Krisenzeiten besonders deutlich zu Tage. Wo die Familie nur auf dem Papier als solche existiert, verliert das Zusammenleben an Substanz. Und was nützen uns die guten Freunde oder Nachbarn, wenn man mit ihnen keine Zeit verbringen kann?

Die Bitte um das tägliche Brot in all seiner Vielfalt wird von allen Generationen häufig ausgesprochen. Wir Menschen verwechseln mit unseren an Gott gerichteten Bitten selbigen gerne mit einem Automaten. Wenn sich dann aber nichts ändert, entsteht schnell der Eindruck, dass beten sich nicht lohnt.

Zum Beten gehört aber auch ein Vertrauen in diesen Gott.

-dass er den Weg weisen wird

-dass er mich nicht aufgibt, auch wenn es danach aussieht

-dass er mir Freiheit für eigene Entscheidungen gewährt und mich an deren Folgen nicht zugrunde gehen lässt.

Auf eine weitere Bitte möchte ich noch den Blick lenken. Weil menschliche Unvollkommenheit anfällig ist, für das, was wir schlicht das Böse nennen, brauchen wir die Bitte um Erlösung.

Oft unbewusst, vermögen wir selber nur Leid zu erschaffen, wo es doch gerade anders sein sollte. Aus Gutem entsteht dann Böses und uns umschleicht ein Gefühl der Ohnmacht.

Die Bitte „Erlöse uns von dem Bösen“ richtet sich an Gott, damit er uns frei mache, von allen listigen Umtrieben des wie auch immer gearteten Bösen, der mit großer Zerstörungskraft Glück, Harmonie und friedliche Beziehungen kaputt macht, um den Menschen zu schaden.

Weil ich als Mensch erkenne, dass ich anfällig bin sowohl für Versuchungen, wie auch für die zerstörerische Kraft des Bösen, ist diese Bitte umso dringlicher und steht am Schluss des Gebetes als letzte der sieben Bitten. Gottes Reich, mein tägliches Brot, Vergebung – all das nützt nichts, wenn ich von bösen Gedanken beherrscht werde und damit das Leben meiner Nächsten zerstöre.

Im Vertrauen auf Gottes Kraft und im Vertrauen auf Jesus Christus, möge die Macht des Bösen in mir eingeschränkt werden.

Jesus Christus wird mich erlösen -im wahrsten Sinne des Wortes. Er wird mich aus allen Verstrickungen, aus lebensfeindlichen, fesselnden Gewohnheiten erlösen und mich so zu einem freien Christenmenschen machen.

Es lohnt sich, ihn im Gebet daran zu erinnern. 

Amen.