Predigt über Mt 22, 1-14

  • 25.06.2017 , 2. Sonntag nach Trinitatis
  • Pfarrer Hundertmark

Predigt über Mt 22, 1-14 am 2. So. p. Tr., 25.06.2017, St. Thomas zu Leipzig um 9.30 Uhr

Liebe Jubelkonfirmanden, liebe Gemeinde,

Hochzeitsfeiern sind schönste Tage im gemeinsamen Leben des Brautpaares und der eingeladenen Gäste. Sie werden zu einem besonderen Ereignis. Erst recht gilt das für die Hochzeit im Königshaus. Sie wird zum medialen Großereignis und zieht auch diejenigen in ihren Bann, die sonst mit Monarchien nicht viel am Hut haben. Schon zu Jesu Zeiten muss das so gewesen sein. Eine königliche Hochzeit ist das Ereignis schlechthin. Wer dafür die Einladung bekommt, darf sich glücklich schätzen. Glücklich, weil er oder sie zu den auserwählten Eingeladenen zählt. Seien wir ganz ehrlich zu uns: Wer möchte nicht einmal als Gast zur Hochzeit im Königshaus dabei sein, nur um zu sehen und um zu erleben, wie das so ist mit all dem Glanz und all der Schönheit? Würden wir dafür nicht alles stehen und liegen lassen, unsere Termine neu sortieren, um dabei sein zu dürfen?

Trotz, dass eine königliche Hochzeit die Menschen in ihren Bann zieht, scheint die Einladung dafür nicht automatisch alle Eingeladenen in Bewegung zu setzen. Zumindest erzählt der Evangelist Matthäus in seiner Variante von einer königlichen Hochzeit davon.

Jesus will anknüpfen, will die Menschen abholen in ihrer Sehnsucht nach einer Einladung zur Königshochzeit, will tristen Alltagstrott heilsam unterbrechen durch eine doch sehr besondere Feier. Alles ist bereit. Das Fest könnte beginnen. Wir hören den Text aus dem Mt im 22. Kapitel

Die königliche Hochzeit

1 Und Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach:

2 Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.

3 Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu rufen; doch sie wollten nicht kommen.

4 Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit!

5 Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft.

6 Die Übrigen aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie.

7 Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an.

8 Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren's nicht wert.

9 Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet.

10 Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, alle, die sie fanden, Böse und Gute; und der Hochzeitssaal war voll mit Gästen.

11 Da ging der König hinein zum Mahl, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an,

12 und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an? Er aber verstummte.

13 Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn in die äußerste Finsternis! Da wird sein Heulen und Zähneklappern.

14 Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.


Dieses Gleichnis sorgt doch auch für eine gehörige Portion  Unverständnis, liebe Gemeinde. Es verstört, weil ein bitterer Beigeschmack auf der Zunge bleibt, weil im Ohr das Geschrei der Verworfenen klebt und weil wir mitfrösteln mit demjenigen, der in äußerster Finsternis keine Chance mehr hat. Martin Luther bezeichnete das Gleichnis als „schreckliches Evangelium“. Schauen wir mit dreifachem Blick darauf. Vielleicht können wir den geöffneten Himmel doch noch entdecken.

 

1.) Ein Blick auf Matthäus oder: Wozu taugt sein Evangelium?

Matthäus als Evangelist und Textarrangeur kennt seine Umgebung gut. Er ist mitnichten weltfremd. Befremdlich ist ihm aber, was in der Welt geschieht. Eine seiner Intentionen liegt deshalb auch darin: schonungslos aufzudecken, zu kritisieren. Dass er dabei nicht immer die richtigen Konsequenzen zieht, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass Matthäus zu stark involviert ist in die Kämpfe und Auseinandersetzungen seiner Zeit. Es war die Zeit der Ablehnung. Die junge christliche Gemeinde wurde aus den Synagogen vertrieben. Gemeinsames ließ sich nicht finden. Feindschaft entstand. Hass kroch hervor – auf beiden Seiten, geboren aus Enttäuschungen und Verletzungen.

So erzählt Matthäus seine Jesusgeschichte als eine Geschichte, die die Welt ernst nimmt, sie beschreibt und ihr etwas entgegensetzt. Doch oft fällt er dann selber zurück in die Logiken der alten Welt. Die Jesusgeschichte nach Matthäus beginnt gleich nach der Geburt, die eigentlich zeigen will, dass Gott das Heil der ganzen Welt schenkt, mit dem grausamen Kindermord des Herodes. Wo Macht angefragt wird, reagieren die Mächtigen meistens mit Gewalt und Ablehnung. Wo Neues entsteht, versuchen die alten Kräfte geballt, genau das zu verhindern. Daran hat sich im Laufe der Jahrhunderte wenig geändert und ich erspare uns jetzt die Aufzählung von Beispielen aus Kirche, Politik und Gesellschaft, weil wohl jeder von uns ein solches sofort im Kopf hat.

Ohne jegliche Illusion über den Zustand der Welt, erzählt Matthäus weiter. Er lässt seinen Jesus sagen „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun“. Der Konflikt zu Beginn seines Evangeliums zwischen dem Kind und dem Herrscher spitzt sich zu. Matthäus karikiert das Herrschergebaren, indem er ausführlich vom Einzug nach Jerusalem erzählt und den eigentlichen König als armen Mann auf einem Esel einreiten lässt. Das hat jeder verstanden.

Der Logik der Macht, sie sich zu sichern und mit aller Gewalt zu verteidigen, setzt er Christi Sanftmut entgegen, um dann doch selber nicht sanftmütig zu sein, wie wir im Gleichnis von der königlichen Hochzeit eben gehört haben. Darin liegt die Tragik des Evangelisten. Er verurteilt, obwohl er eigentlich betonen will, dass am Ende erst das Gericht steht und nicht schon jetzt. Zu tief und zu heftig mögen die Enttäuschungen gewesen sein. Enttäuschungen darüber, dass von denjenigen, die eigentlich bescheid wissen müssten über die angekündigten prophetischen Weissagungen des Alten Testamentes, dass genau diejenigen mit höchster Ablehnung reagierten. Deshalb sind viele Reden des matthäischen Jesus an die Oberen und Schriftgelehrten, an die Hohepriester und Ältesten des Volkes gerichtet. So auch unser heutiges Gleichnis. Während Matthäus einerseits betont, dass Gott die Sonne scheinen lässt über Gute und Böse, dass er die Unterscheidung am Ende macht, verfällt der Evangelist andererseits in eine Vorverurteilung, die seine eigenen Aussagen von Feindesliebe und Sanftmut zu karikieren drohen. Wozu taugt also das Evangelium des Matthäus? Zu allererst zum genauen Hinschauen. Sich dabei nicht verführen zu lassen zu billigem Antisemitismus, bleibt anspruchsvolle Aufgabe des Lesers.

Ein Blick auf Gott oder: Womit dürfen wir rechnen?

Ein immer wieder auftretendes Missverständnis im Gleichnis von der königlichen Hochzeit ist die Einladung zur Hochzeit. Deshalb bin ich dankbar dafür, dass die neue Lutherübersetzung vom Rufen zum Fest erzählt und nicht zu allererst vom Einladen zum Fest. Denn die Einladung hat längst stattgefunden. Alles ist vorbereit. Die Feier kann beginnen. Wenn nun Jesus das Gleichnis erzählt als ein Beispiel für das Reich Gottes, dann muss eins klar sein: Gottes großes Festmahl findet statt, egal was passiert. Er ist nicht angewiesen auf uns Menschen mit unseren Ausreden und Ausflüchten. Seine Feier wird großartig werden. Das weiß Gott und deshalb liegt ihm auch so viel daran, dass wir Gäste sind und an ihr teilnehmen. Gott bleibt hartnäckig und ruft immer wieder. Auch wir als Gerufene bleiben hartnäckig mit unseren Ausflüchten und Entschuldigungen. Manchmal können Einladungen zur unpassenden Zeit kommen, weil andere Entscheidungen anstehen, weil es wichtig ist, für den Lebensunterhalt zu sorgen oder weil es schlichtweg gerade nicht in den eigenen Zeitplan passt, sich heilsam unterbrechen zu lassen im Tun. So sind wir Menschen Meister im Finden von Ausreden, warum es gerade heute nicht passt, auf Gottes Wort zu hören.

Sie, liebe Gottesdienstbesucher betrifft das heute nicht. Sie sind ja da, um zu feiern, um Gemeinschaft mit Gott und untereinander zu haben. Trotzdem kennen wir alle die Gravitationskraft der Ausreden.

Womit dürfen wir rechnen, wenn wir auf Gott schauen? Zu allererst mit seiner Barmherzigkeit. Sie wird durch die matthäische Überschreibung an dieser Stelle im Gleichnis zwar etwas verdunkelt, bleibt aber erhalten. Gottes Liebe lässt ihn nicht müde werden, uns ständig zu rufen. Als barmherziger und sorgender Vater im Himmel weiß er um das vorbereitete Festmahl.

Seien wir ehrlich: Es ist doch eines der schönsten Bilder vom Reich Gottes – die festlich geschmückte Tafel, Alles im Überfluss, sorgenfrei, himmlische Musik und Menschen, die sich einfach nur freuen, miteinander feiern zu dürfen. Dabei sein ist alles.

Weil aber jene himmlische Freude nicht zu dem von Matthäus beschriebenen Alltag passt, weil uns Schrecken der Welt aufwühlen, weil Bedrohungen durch Terror und Angst nicht nur Nachrichten aus fernen Ländern sind, verstört oftmals die Einladung zur Feier.

Und noch etwas: Als Menschen sind wir bestrebt, unser Leben selber zu bestimmen. In der Logik der Ökonomie wird das deutlich. Sie ist wichtig, ohne Frage, steht aber gelegentlich dem Reich Gottes im Wege. So wird die Sorge und Acker und Vieh, um Haus und Hof, um Rente und Einkommen schnell zum vermeintlich berechtigten Ablehnungsgrund für Gottes Einladung, sich beschenken zu lassen. Der Dichter Lother Zenetti bringt es m. E. auf den Punkt, wenn er schreibt: 

Am Ende die Rechnung

    Einmal wird uns gewiss
    die Rechnung präsentiert
    für den Sonnenschein
    und das Rauschen der Blätter,
    die sanften Maiglöckchen
    und die dunklen Tannen,
    für den Schnee und den Wind,
    den Vogelflug und das Gras
    und die Schmetterlinge,
    für die Luft, die wir
    geatmet haben, und den
    Blick auf die Sterne
    und für all die Tage,
    die Abende und die Nächte.
   
    Einmal wird es Zeit,
    dass wir aufbrechen und
    bezahlen;
    bitte die Rechnung.
    Doch wir haben sie
    ohne den Wirt gemacht:
    Ich habe euch eingeladen,
    sagt der und lacht,
    so weit die Erde reicht:
    Es war mir ein Vergnügen!

Ein Blick auf uns oder: Womit kleide ich mein Leben?

Diese Frage, liebe Gemeinde, wird am Ende des Gleichnisses verhandelt. Jetzt wird es für uns so richtig unbequem, da wir ja Gottes Einladung zumindest am heutigen Sonntag gefolgt sind. Wie sieht es nun aus? Wie siehst du aus? Das wird plötzlich zu entscheidenden Frage. Dein Kleid passt nicht zur Feier und zum Anlass.

Matthäus will uns mit auf den Weg geben, dass Gottes Einladung Folgen hat. Ein Zurücklehnen gibt es nicht. Gegen die falsche Einschätzung, wir sind die Guten und alle, die heute außerhalb des Gottesdienstraumes sind, das sind die Bösen, setzt er die Metapher vom Kleid.

Trage ich das richtige Kleid?

Diese Frage heißt doch, lasse ich Gottes Einladung wirksam werden in meinem Leben? Oder bin ich nur zaghaft hereingerutscht in den Festsaal, weiterhin bekleidet mit Angst und Sorge und allem Kleinklein? Matthäus warnt mit Luther vor der billigen Gnade genauso, wie er davor zu warnen ist, dass erst rechte Werke dafür sorgen, die Eintrittskarte zum Freudenfest Gottes zu bekommen.

Die Frage nach dem rechten Kleid lässt sich heute so formulieren. Spiegelt sich Gottes Geschenk seiner Liebe in meinen Augen wieder? Führt seine Einladung an mich, die ständig wiederholt wird dazu, dass mein Mund und dass meine Hände einladend reden und einladend tun?

Die Frage kann und muss jeder selber beantworten. Matthäus gibt uns nur den Impuls dafür, dass wir sie stellen und hören. Darüber sollen wir aber nicht verstummen, wie der Freund im Gleichnis als er mit der Frage konfrontiert wird. Und so kann die angemessen Antwort eigentlich nur heißen:

„Lieber Gott reiß mich heraus aus den alten Logiken, in denen ich lebe!“ Amen.

 

Martin Hundertmark (hundertmark@thomaskirche.org), Pfarrer an der Thomaskirche zu Leipzig