Predigt über Mt 25, 13ff im Nachteulengottesdienst zum Thema "Verantwortung"

  • 10.09.2017 , 13. Sonntag nach Trinitatis
  • Pfarrer Hundertmark

Predigt über Mt 25, 13ff zum Thema „Verantwortung“ im Nachteulengottesdienst am 10.09.2017, St. Thomas zu Leipzig um 18 Uhr.

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

zum Thema des heutigen Gottesdienstes haben wir im Vorbereitungsteam folgendes Gleichnis ausgesucht. Ich lese aus dem Matthäusevangelium im 25. Kapitel

Von den anvertrauten Talenten

14 Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: Er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an;

15 dem einen gab er fünf Talente Silber, dem andern zwei, dem dritten eins, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und ging außer Landes. Sogleich

16 ging der hin, der fünf Talente empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu.

17 Ebenso gewann der, der zwei Talente empfangen hatte, zwei weitere dazu.

18 Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn.

19 Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen.

20 Da trat herzu, der fünf Talente empfangen hatte, und legte weitere fünf Talente dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Talente anvertraut; siehe da, ich habe fünf Talente dazugewonnen.

21 Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!

22 Da trat auch herzu, der zwei Talente empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Talente anvertraut; siehe da, ich habe zwei dazugewonnen.

23 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!

24 Da trat auch herzu, der ein Talent empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast;

25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg dein Talent in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.

26 Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe?

27 Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen.

28 Darum nehmt ihm das Talent ab und gebt ihn dem, der zehn Talente hat.

29 Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.

30 Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

„Wer hat, dem wird gegeben werden!“ - wie im richtigen Leben wird mancher jetzt vielleicht denken. Da wo schon viel ist, kommt noch etwas dazu und wo wenig ist, wird auch das noch weggenommen. Unsere Alltagserfahrungen werden diesbezüglich zahlreich sein und sie führen dazu, dass wir jenes Gleichnis mit den Ohren hören, die sehr stark auf Gerechtigkeit ausgerichtet sind. Dann aber ärgern wir uns, wegen der Ungerechtigkeit, zumindest in einer ersten Reaktion. Als Kind ärgerte ich mich regelmäßig über die Behandlung des dritten Knechtes. Gott geht unfair mit ihm um, oder etwa nicht? Müsste Gott nicht auf der Seite der Verlierer stehen?

Um diese Fragen beantworten zu können, will ich sie einladen, die kleine Geschichte von zwei Seiten her zu betrachten. Wie ein Kameramann nehmen wir dabei unterschiedliche Positionen ein. Vorweg sei noch gesagt, dass es hier um die Zukunft geht, liebe Gemeinde.

Lenken wir zunächst also den Blick auf den dritten Knecht. Auf ihm wird herumgehakt. Er ist der Verlierer; wird als faul und unnütz bezeichnet. Zugleich ist er auch derjenige, der mir am interessantesten scheint. Denn der dritte Knecht hebt sich in seinem Handeln von den beiden anderen Knechten ab. Was macht er anders? Er nimmt sein Talent, und dies ist, denke ich, nicht nur einseitig als Geldmaßeinheit zu verstehen, er nimmt also sein Talent und vergräbt es. So kann nichts schief gehen, wird er sich denken. Und wenn der Haushalter wieder zurückkommt, dann kann er genau das in Empfang nehmen, was er zuvor mir übergeben hat. Für den Hausherren ist das Handeln des dritten Knechtes kein Verlustgeschäft. „Und ich“, so denkt der Knecht, „brauche keine Angst zu haben und auch kein Risiko eingehen, weil das Talent gut vergraben ist“.

Und da, liebe Gemeinde liegt genau das Problem des dritten Knechtes.

Er handelt aus Angst und mangelnder Bereitschaft, sich dem Risiko des Lebens zu stellen. Diese Angst veranlasst ihn, alles, was er besitzt krampfhaft festzuhalten, zu bewahren und zu vergraben. Er bringt sein Talent in Sicherheit, weil ihm das Selbstbewusstsein fehlt und er sich infolgedessen nichts zutraut.

Wer selber oft genug gesagt bekommen hat: „Das kannst du nicht!“ „Das traue ich dir nicht zu!“, der wird nachempfinden können, wie es dem dritten Knecht geht. Seine Motivation für die Sicherheitsvariante heißt:

Nur nichts falsch machen! Halte, was du hast! Mit dieser Haltung tritt der Knecht unvermittelt in unsere Mitte. Der fehlende Mut wirkt manchmal lähmend in unserer Gesellschaft. Die Angst ist hierbei der größte Feind des Lebens. Ich klage vor mich hin, beklage die Ungerechtigkeit des Lebens und schaue immer nur auf zu denen, die es in meinen Augen besser haben. Und am Ende habe ich damit das Leben mit seinen Chancen selbst begraben. Und genau damit manövriere ich mich in die Finsternis, wo Heulen und Zähneklappern ist. Wer wenig hat, dem wird auch das noch genommen, was er hat.

Nur, wie soll ich dem Mutlosen zum Mutigsein auffordern, wie dem Ängstlichen seine Angst nehmen? Da lohnt es, liebe Gemeinde, unser Gleichnis noch einmal zu betrachten, aber nun aus einer andren Kameraperspektive – aus der Perspektive des HERRn.

Was macht der Hausherr in unserer Geschichte? Er gibt seinen Mitarbeitern einen Auftrag und er fordert von ihnen Rechenschaft. Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches für einen Chef.  Wer jeden Tag vom Chef gesagt bekommt, was er tun soll und am Ende eben jenes Tages Bilanz ziehen muss, wird gut nachempfinden können, was hier gemeint ist.

Unser Hausherr aus dem Gleichnis verteilt die Aufgaben nicht gleichmäßig. Dem einen Knecht vertraut er 5, dem anderen 3 und dem dritten 1 Talent an. Jedem nach seiner Fähigkeit. Er traut jedem Einzelnen seiner Knechte etwas zu. Kein Knecht wird ausgelassen.                 Jeder hat mindestens ein Talent, welches er nutzen kann und nutzen soll. Hier gibt es auch keine Gleichmacherei, weil erkannt wird, dass wir Menschen unterschiedlich sind. Gerade das zeichnet uns als Geschöpfe Gottes aus, diese Unterschiedlichkeit.

Die Großartigkeit an diesem Herrn liegt darin: Er gibt keinen verloren. Gott gibt keinen verloren, sondern ermutigt uns, die Talente einzusetzen selbst auf die Gefahr hin, das etwas schief gehen kann. Er vertraut uns, dass wir die Angst vor dem Versagen überwinden und die Chancen des Lebens nutzen. Aus dem Stillstand will dieser Gott uns herausrufen, damit wir nicht in der Finsternis, sonder im Licht des Lebens landen. Er fordert von uns keine Überlastung, aber er fordert Verantwortung. Und wenn dieser Schöpfer mir ein Talent anvertraut, dann ist es auch meine Pflicht, es zu nutzen und nicht zu vergraben.

Jesus erzählt diese Geschichte, weil er deutlich macht: Gott hat dich, liebes Menschenkind mit Talenten ausgestattet. Entdecke sie und nutze sie. Du brauchst dabei nicht auf diejenigen zu schauen, die andere Talente haben und dich darüber ärgern, warum du nicht so bist, wie die oder jener.

Schaue vielmehr auf dein Talent und nimm dir das Zutrauen deines Gottes in dich zu Herzen, so kannst du die Chancen deines Lebens nutzen, für das Du die Verantwortung trägst. Sie mögen manchmal nur klein sein, aber besser kleine Chancen zum Gelingen bringen als gar nichts tun.

Ein brasilianisches Märchen erzählt dies so:

Es war einmal ein großer Fluss an dessen Ufern sich ein riesiger Wald ausdehnte. In diesem Wald lebten unzählige Tiere: Elefanten, Löwen, Vögel, Affen und noch viele mehr. Doch eines Tages brach im Wald ein Feuer aus. Die Tiere hatten Angst, dass ihre Wohnungen und Nistplätze zerstört werden könnten und waren verzweifelt. Nur ein kleiner Kolibri ließ den Kopf nicht hängen, sondern flog zum Fluss, holte einen Schnabel vor Wasser und ließ diesen kleinne Wassertropfen über dem brennenden Wald fallen. Die großen Tiere lachten ihn aus. Was wollte dieser kleine Kerl schon ausrichten?

Der Kolibri antwortete nur: Ich leiste meine Teil. Nun seid ihr dran!

Lasst uns lernen von dieser Haltung des kleine Vogels. Für unsere Gemeinden, für unser Land für unser eigenes Leben, damit es gelingen möge. Lasst uns das Wagnis des Lebens eingehen im Vertrauen auf Gottes Güte, dass er nämlich niemandem mehr zutraut, als er schaffen kann.

Sapere aude ! - Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen formulierte Immanuel Kant als Spitzensatz der Aufklärung, um auszudrücken, wie wichtig es ist, eigen Wege zu gehen und selbstständig zu werden.

Habe Mut, dich deines Talentes zu bedienen, so möchte ich es als Leitsatz aus diesem Gleichnis formulieren.

Wer sich begnügt, nichts Falsches zu tun und in dessen Konsequenz gar nichts tut, wird an seiner Leidenschaftslosigkeit letztlich zugrunde gehen und in der Finsternis der eigene Ängste sitzen bleiben. Halte nicht was du hast, sondern bringe ein, was dir mitgegeben ist, damit es fruchtbar und nützlich wird für dein Leben und das deiner Mitmenschen. Du kannst dies tun, weil Gott dir vertraut. Das, liebe Gemeinde, ist ein großartiges Evangelium.

Amen.