Predigt über Offenbarung 3, 14-22

  • 27.11.2022 , 1. Advent
  • Prädikantin Dr. Almuth Märker

Predigt 1. Advent (V) 27.11.2022 Abendgottesdienst St. Thomas

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen

[Stille]

„Siehe!“ [1 Schlag Handpauke] Der Auferstandene spricht.

Johannes sendet an sieben Gemeinden in Kleinasien Schreiben. Er lässt Christus, den Auferstandenen sprechen. Die Schreiben werden laut vor der ganzen Gemeinde verlesen. Johannes lässt Jesus Christus sprechen. Da liegen Tod und Auferstehung schon zwei Generationen zurück. Was ist los in Laodizea, der siebenten der von Johannes angeschriebenen Gemeinden?

 

Der Predigttext steht in der Offenbarung des Johannes im 3. Kapitel (Vv. 14-22). Ich lese ihn in einer Übersetzung von Traugott Holtz:

„Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe:

Das sagt der Amen,

            der treue und wahrhaftige Zeuge,

            der Ursprung der Schöpfung Gottes.

Ich weiß um Deine Werke, dass Du weder kalt bist noch heiß. Es wäre schön, Du wärest kalt oder heiß! Da Du so lau bist, nicht heiß und nicht kalt, will ich Dich ausspeien aus meinem Mund.

Du sagst: Ich bin reich und habe Vermögen und ich brauche nichts. Dabei weißt Du nicht, dass Du armselig bist und erbarmungswürdig

und arm und blind

und nackt.

Ich rate Dir, von mir in Feuer geläutertes Gold zu erwerben, damit Du reich wirst,

und weiße Gewänder, damit Du Dich bekleiden kannst und die Schmach Deines Nacktseins nicht offenkundig wird,

und Augensalbe, um Deine Augen zu behandeln, damit Du sehend wirst.

Ich überführe und erziehe die, die ich liebe.

Zeige nun also Eifer und kehre um.

[1 Schlag Handpauke] Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und öffnet die Tür, werde ich bei ihm einkehren und mit ihm Mahl halten und er mit mir.

Dem Überwinder werde ich gewähren, mit mir auf dem Thron zu sitzen,

wie auch ich überwunden habe

und mit meinem Vater auf seinem Thron throne.

Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“

Der Herr segne an uns sein Wort.

 

Was ist los in Laodizea?

Nach außen scheint alles in Ordnung zu sein. Man könnte sogar sagen: in bester Ordnung. Laodizea  ist eine prosperierende Stadt. Die darin wohnen, haben es zu erstaunlichem Reichtum gebracht. Sei es, dass sie durch die Herstellung von ganz speziellen Textilien – schwarzen Wollgewändern; einer laodizäischen Spezialität –  ihr Geld verdienten. Sei es, dass sie im medizinischen Sektor tätig waren: Laodizeas Augenärzte zogen Menschen mit Augenleiden von überall her an mit der begründeten Hoffnung auf Heilung. Dass es den Menschen in der Stadt so gut ging, hatte nicht zuletzt mit den günstigen hygienischen Verhältnissen zu tun, die ein Leben in Gesundheit und Wohlstand gewährleisteten. Denn etwa 10 km oberhalb der Stadt sprudelten heilkräftige heiße Quellen. Weiter unten, in Colossä, konnten sich die unter das heiße Klima gebeugten Menschen an kalten Quellen erfrischen.

Und nicht zuletzt schritt man als Laodizeer und Laodizeerin erhobenen Hauptes und mit stolzem Selbstbewusstsein durch die Straßen der Stadt. Obwohl im Jahre 60 n. ein schweres Erdbeben ihre Mauern zerstört hatte, war die Stadt in voller Schönheit wiedererstanden: und zwar aus eigener Kraft und Mitteln. Da hatten die römischen Besatzer, deren Aufbauhilfe „Ost“ die Stadtväter von Laodizea abgelehnt hatten, nicht schlecht gestaunt.

Das also war los in Laodizea: Schwarze Wolle. Augenheilkunst. Reichtum. Selbstbewusstsein. Autarkie.

 

Und dann kommt Post von Johannes. Er lässt den auferstandenen Christus sprechen, und der fegt alles vom Tisch:

Ihr denkt, dass ihr reich wärt? Ihr seid arm, elend, nackt, blind!
Ihr denkt, dass ihr genug Geld besäßest? Nein! Also mein Rat wäre: Nehmt Gold von mir, aber solches, das besonders geläutert ist!

Ihr denkt, dass Ihr mit Euern auf den Messen nah und fern vertriebenen schwarzen Wollkitteln richtig liegt? Nein! Also mein Rat wäre: Nehmt weiße Gewänder und zwar die von mir.
Ihr denkt, dass Ihr Augenleiden heilen könnt? Nein! Also mein Rat wäre: Erst von mir werdet ihr die richtige Augensalbe erhalten; die erst wird euch sehend machen.

 

Reichtum. Selbstbewusstsein. Autarkie. - Nein! Da liegen die Laodizeer falsch. Sind sind schief gewickelt. Sie sind auf dem Holzweg.

Es ist ein tiefer Seufzer, der sich dem Brief-Christus entrinnt. Ihr seid einfach nur lau; nicht heiß (wie Eure Quellen da oben), nicht kalt (wie das erfrischende Wasser unten in Colossä). Nein, einfach nur lau, fad wie eine in eine Pet-Flasche abgefüllte Heilquelle aus dem Vogtland. Zum Kotzen ist das. So seufzt Christus: „Ich will dich ausspeien aus meinem Munde.“

 

Aus diesem Text aus der Offenbarung des Johannes, liebe Gemeinde, höre ich genau das als Stimmung heraus, was für uns Christinnen und Christen im Advent ein so typischer Tonfall der biblischen Texte ist. Ja, Gott kommt. Gott macht sich auf den Weg zu uns Menschen. Aber wie er es tut und was er uns unterwegs zu sagen hat, ist oft genug verstörend. Muss denn Gott alles in Frage stellen, das uns so wert und teuer ist im Lebensalltag? Wohlstand, Prosperität, Gesundheit??! Ist das nicht befremdlich? Ja, das ist es. Und ein Verständnis von Advent könnte sein, diese befremdliche und verstörende Botschaft Gottes nicht zu verniedlichen, nicht zu versüßen, nicht zu entschärfen.

Du denkst, du bist reich, liebe Gemeinde. „Dabei weißt Du nicht, dass du armselig bist“, sagt unser Predigttext. Und das tut weh, ist verstörend.

 

Der Christus der Johannes-Offenbarung tut viel mehr als der Jesus, der mit großem Knall die Geldhändler aus dem Tempelvorhof verjagt. Der Johannes-Christus legt den Finger viel tiefer in die Wunde. Er stellt sozusagen die Herzensfrage:

[1 Schlag Handpauke] „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und öffnet die Tür, werde ich bei ihm einkehren und mit ihm Mahl halten und er mit mir.“

[1 Schlag Handpauke] Wo immer dieser Ruf in der Bibel erklingt, kündigt sich etwas Neues an.

 

Christus steht vor meiner Tür. Klopft an. [1 Schlag Handpauke] Ich öffne. Er tritt ein. Etwas verändert sich.

[Zweierschlag Handpauke … Herzschlag, Zweierpuls des Herzens …]

Christus steht vor meiner Tür. Klopft an. Ich öffne. Er tritt ein. Etwas verändert sich.

Aus dem Paukenschlag wird der Schlag meines Herzens. Der Schlag meines Herzens, den ich höre, wenn ich Christus die Tür öffne.

„Öffne dich, mein ganzes Herze.“ [BWV 61, 5]

 

Mit stolzgeschwellter Brust durch den Advent gehen? Nein, sondern vor dem Fernseher und den Bildern vom Klimawandel endlich mal losheulen.

Im Advent behaupten, wir bräuchten nichts, weil wir schon alles hätten? Nein, sondern mal eine Gänsehaut kriegen, wenn ein Kind mit stolpernder Zunge benennt, was es braucht: Kuscheln.

Die laue Brühe der Vorweihnachtszeit schlürfen und behaupten, das sei Advent? Nein, sondern den eigenen zornigen Herzschlag spüren, mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen: Krieg soll nicht sein; nirgendwo.

 

[1 Schlag Handpauke] „Siehe!“ Wo immer dieser Ruf in der Bibel erklingt, kündigt sich etwas Neues an. „Siehe! [1 Schlag Handpauke] ich stehe vor der Tür und klopfe an.“

Öffne Dich. [Handpauke als Herzschlag]

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und unser Beginnen in Christo Jesu. Amen

 

Prädikantin Dr. Almuth Märker

almuth.maerker@web.de