Predigt zur Konfirmation - 1. Tim 6, 11-12

  • 29.04.2018 , 4. Sonntag nach Ostern – Kantate
  • Pfarrer Hundertmark

Predigt zur Konfirmation am Sonntag Kantate, 29.04.2018, in St. Thomas zu Leipzig um 09.30 Uhr

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Zu Beginn unserer gemeinsamen Konfirmandenzeit habt ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden oftmals ganz ehrlich und authentisch zu vielen Sätzen oder Begriffen im Glaubensbekenntnis nicht sagen können: „Ja, das glaube ich!“ Wir haben miteinander gerungen und gestritten, was denn der Glaube ist und ob man den Verstand an der Garderobe abgeben muss, um glauben zu können. Martin Luther beschreibt den beschwerlichen Weg zum „Ja“ des Glaubens in folgendem Satz ganz treffend.

„Die Vernunft ist das größte Hindernis in Bezug auf den Glauben, weil alles Göttliche ihr ungereimt zu sein scheint.“

Eure beeindruckenden eigenen Glaubensbekenntnisse zur Taufe und im Vorstellungsgottesdienst letzte Woche haben gezeigt, dass euch die Hindernisse nicht zu hoch waren und ihr euren Weg fandet, um ein bekennendes „Ja“ sagen zu können. Ohne dass es wertend sein soll, möchte ich eure Festgemeinde heute an einem dieser Bekenntnisse teilhaben lassen.

„Ich glaube an etwas, das weit über die menschliche Vernunft denkt, an etwas, das nicht nur an sich denkt, sondern die Menschen leitet und beschützt. An etwas, dass uns Wege aus Krisen und schweren Situationen gibt uns aber selber entscheiden lässt, welchen Weg wir gehen. An etwas, das einen die Hand hinhält, wenn man fällt und sich freut, wenn wir glücklich sind…..das uns von Geburt an ein Mensch mit einer eigenen Persönlichkeit werden ließ. An etwas, das uns auch in schwierigen Auseinandersetzungen und Zweifeln am Glauben die Türen offen hält. An etwas, dass uns … auch ab und zu Vernunft und Demut lehrt. Ich glaube an einen gerechten Gott, der gerecht entscheidet und uns sein lässt, wie wir sind.“

Glaube hat nicht in erster Linie etwas mit Logik zu tun, sondern mit Herz und Mut, sich auf Gott einzulassen, der sich den Gesetzmäßigkeiten der Logik entzieht. Würden diese auch in Bezug auf den Glauben greifen, dann wäre unsere Beziehung zu Gott ablesbar und planbar. Gott wäre ein Spielball unserer guten Taten. Glaube hat aber sehr wohl etwas zu tun mit Auseinandersetzungen und dem Ringen um Freiheit. Zum einen sind die Auseinandersetzungen ganz individuell und persönlich. Einige von euch haben sie im Spannungsfeld von Glaube und Zweifel erlebt. Auf der anderen Seite wird Glaube immer auch herausgefordert, manchmal sogar angefeindet oder ins Lächerliche gezogen.

Dann sind wir gefragt nach unserem Fundament und nach unserer Standfestigkeit. Nun wird kaum jemand von Vierzehnjährigen erwarten, dass sie oder er felsenfest und unverrückbar im Glauben stehen und leben. Das schafft ja in den seltensten Fällen ein Erwachsener.

Wenn ich als euer Pfarrer mir in Bezug auf euren Glauben etwas wünschen dürfte, dann wäre es dies: Dass ihr nicht bei den kleinsten Anfechtungen und Anfeindungen euren Glauben wegwerft bzw. christliche Werte wie Nächstenliebe der Beliebigkeit oder einem Karriereschritt preisgebt. Glaube kann eine ungemeine Widerstandskraft entwickeln. Wer sich fest verwurzelt weiß in der Verbindung mit seinem Gott, den wird so schnell nichts umhauen, der wird Worte und Mut finden, wo andere aus Feigheit schweigen und sich wegducken.

Am vergangenen Sonntag habt ihr im Vorstellungsgottesdienst Personen vorgestellt, die euch beeindruckten aufgrund ihrer Überzeugungen, die sie aus dem Glauben gewannen. Der friedliche Widerstand eines Mahatma Ghandi gegen Unterdrückung; eines Martin Luther King gegen Ungerechtigkeit und Versklavung oder einer Malala gegen die Herabwürdigung von Mädchen und Frauen hat Spuren in eurem Gedächtnis hinterlassen. Mit friedlichen Mittel sich auflehnen gegen die, die immer meinen Recht zu haben und am Ende nur ihre Macht missbrauchen, um eigene Interessen zu verfolgen – das ist eine Frucht gelebten Glaubens im Sinne der Bergpredigt Jesu.

In unserer Bibel gibt es einen kleinen Brief im Neuen Testament, den 1. Timotheusbrief. Sein Verfasser gibt viele Empfehlungen, zum Beispiel, dass eine Frau nicht über den Mann herrschen soll, sondern still sein möge.

Ich weiß noch genau, wie ihr euch zurecht darüber aufgeregt habt als wir diese Verse im Konfirmandenunterricht lasen. Und ihr habt gelernt, auch Dinge in Bezug auf die Bibel kritisch zu hinterfragen und nicht alles 1:1 zu übernehmen. Oftmals ist es nur ein ganz schmaler Grat zwischen Irrtum und Wahrheit. Die folgende Empfehlung aus dem 1. Tim kann getrost weitergeben werden. Viel mehr noch: Sie fasst eigentlich all das zusammen, was für euren weitern Lebens- und Glaubensweg wichtig ist.

„Jage aber nach der Gerechtigkeit,

der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe,

der Geduld, der Sanftmut!

Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.“ 1. Tim 6, 11-12

Gott hat euch zu wunderbaren Menschen gemacht. Er hat euch in den letzten zwei Jahren eine Gemeinschaft geschenkt, für die ihr selber sehr dankbar seid. Daran lässt sich anknüpfen. Damit eine solche Gemeinschaft von dauerndem Bestand sein kann, ist es notwendig, sie zu festigen. Im Timotheusbrief ist vom Jagen nach Gerechtigkeit die Rede, von Glauben und Liebe, um diese drei einmal herauszunehmen. Gerechtigkeit hat in erster Linie etwas damit zu tun, wie ich mich zu Gott stelle. Fordere ich seine Liebe und seine Vergebung ein oder lasse ich mich von ihm beschenken. Gerechtigkeit in Bezug auf den Glauben meint Letzteres. Gott schenkt aus Liebe durch Jesus Christus. Weil er das tut, dürft auch ihr weiterschenken. Gerechtigkeit in Bezug auf eine Gemeinschaft heißt dann nämlich: Ich schaue auch auf den Mitmenschen, egal ob ich ihn nun mag und er mir sympathisch ist. Gerechtigkeit bedeutet, die Würde eines jeden zu achten. Nun wäre es naiv zu behaupten, dass sich alle Ungerechtigkeit sofort verwandeln ließe. Da gibt es zu viele Interessen und die Widerstände sind groß.

Deshalb aber aufzugeben, eine Gemeinschaft von Gerechtigkeit prägen zu lassen? Für Christen kommt das eigentlich nicht in Betracht. Denn wir dürfen, von Christus selbst befähigt, Sand im Weltgetriebe der Ungerechtigkeit sein, statt Schmierstoff.

„Herrscher gehen unter, Träumer werden munter, die dein Wort erhellt“ textet Gerhard Schöne in seiner Fassung des alten Chorals „Jesu, meine Freude.“ Da wo Menschen beginnen, ihre Ketten zu lieben, braucht es die Kraft der Liebe, um sie zu sprengen. Gesprengte Ketten bedeuten Freiheit. Freiheit aber bedeutet, Anstrengungen auf sich zu nehmen. Während unserer letzten Konfirmandenfahrt habt ihr das durchlebt. Die Anstrengungen von Demokratie und Freiheit können ganz schön kräftezehrend sein. Doch die Erfahrung, es hat sich gelohnt, als Gemeinschaft einen Konsens zu finden, wird euch noch lange in Erinnerung bleiben. Dort wo andere euch einzureden versuchen, `geht den bequemen Weg der Anpassung`, dürft ihr als von Gottes Wort erhellte Träumer munter werden, um zu widersprechen mit aller Kraft und in aller Deutlichkeit.

Wie zeigt sich nun das gute Bekenntnis, von dem der Timotheusbrief spricht?

Im Kreuz, zum Beispiel. Für Christen ist das Kreuz das Symbol der Freiheit, der Hoffnung und des guten Kampfes des Glaubens. In eurem Geschenkbeutel werdet ihr nachher ein Kreuz finden. Bitte missbraucht es nicht als Kampfsymbol, um andere damit zu unterdrücken. Tragt es vielmehr mit Stolz und Aufrichtigkeit, damit ihr erkennbar seid als Menschen, die sich von der Liebe Christi leiten lassen. Lebt, was das Kreuz uns verheißen hat: Nichts kann uns trennen von Gott, noch nicht einmal der Tod mit seinen lebensfeindlichen Kräften. Versteckt euer Kreuz nicht, auch dann nicht, wenn andere das von euch fordern und dafür das Wort „Toleranz“ gebrauchen.

Denn im Kreuz begegnen sich Gott und Mensch. Wer im Schnittpunkt der Gottes- und der Menschenliebe sein Leben gestaltet, wird erfahren, wie wertvoll die eigene Beziehung zu Gott ist, auch wenn ich ihn nicht immer verstehe. Amen.

Und der Friede Gottes, der größer ist als all unser Verstehen, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Martin Hundertmark, Pfarrer an der Thomaskirche zu Leipzig